Erweiterung Käserei

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1626 Romanens,
Schweiz

Veröffentlicht am 07. April 2025
Bard Yersin Architectes Sàrl
Teilnahme am Swiss Arc Award 2025

Projektdaten

Basisdaten

Lage des Objektes
Route de Rueyres 3, 1626 Romanens, Schweiz
Fertigstellung
09.2024
Links

Gebäudedaten nach SIA 416

Stockwerke
2
Anzahl Kellergeschosse
1
Grundstücksfläche
2021 m²
Geschossfläche
700 m²
Nutzfläche
700 m²
Gebäudevolumen
1265 m³
Gebäudekosten (BKP 2)
1,3 Mio. CHF
Anzahl Arbeitsplätze
5
Parkplätze
14

Beschreibung

Formen der Zeit – Im Herzen des Dorfes gelegen, präsentiert sich die Käserei von Romanens heute als ein uneinheitliches Gefüge aus Gebäuden und Anbauten. Dieses Konglomerat ist das Ergebnis einer zufälligen Aneinanderreihung von Erweiterungen, die im Laufe der Zeit den Bedürfnissen der Käseproduktion folgten, jedoch ohne übergeordnete Kohärenz. Der Wunsch der Käsereigenossenschaft, die bestehenden Keller zu vergrössern, den alten Schweinestall in Lagerräume umzunutzen, eine zusätzliche Garage, Personalräume sowie ein neues Verkaufsgeschäft zu schaffen, bot Bard Yersin Architectes die Gelegenheit, die chaotische Struktur des Ortes zu ordnen und gleichzeitig zukünftige Erweiterungen der Genossenschaft mitzubedenken.

Aus diesem heterogenen Ensemble stechen zwei prägnante Baukörper hervor: die ursprüngliche Käserei und der ehemalige Schweinestall. Beide besitzen architektonische Qualitäten und gehören zu typologischen Figuren, wie sie im Freiburgerland verbreitet sind – jeweils Ausdruck ihrer Zeit. Sie stehen quer zu den Bauernhäusern, die das gebaute Gefüge des Dorfes bilden, und zeigen ihre Giebelfassaden nach Osten, wo sich – am Schnittpunkt der Dorfstrassen – ein kleines öffentliches Areal mit Parkplatz und Wiese befindet: der einzige Ansatz eines gemeinschaftlichen Freiraums der Gemeinde.

Die neue Erweiterung fügt sich selbstverständlich zwischen die beiden bestehenden Gebäude ein und ergänzt das Ensemble um einen weiteren Giebel. In Analogie zu den Nachbarbauten folgt das Projekt der Logik einer zeitlich orientierten Figur, die aus einem gängigen regionalen Typus hervorgeht. Die zeitgenössische Bauweise im Kanton Freiburg bedient die Bedürfnisse der Landwirtschaft, des dezentralen Handels und des Handwerks mit einem einheitlichen Bautyp: der Halle oder dem Schuppen aus Brettschichtholz mit Sandwichpaneel-Verkleidung. In dieser Realität verankert sich das Projekt in seiner Gegenwart, indem es die Codes des Bestehenden aufnimmt und weiterführt – in dem Sinne, wie Aldo Rossi es als das «wunderbare Aufeinandertreffen der Ähnlichkeiten im Raum» bezeichnete.

Angesichts des rasanten Wachstumsbedarfs der Käserei war es wichtig, dass das neue Gebäude eine spätere Entwicklung des Standorts nicht behindert und gleichzeitig mögliche Erweiterungen mittragen kann. Deshalb besteht das Projekt aus einem Dach, das von drei grossen Brettschichtholzträgern getragen wird und darunter eine freie und strukturell ungebundene Nutzung der Volumen ermöglicht. Unter diesem Dach befindet sich die erweiterte Käsekellerfläche, die als Plattform für die spätere Erweiterung der Käserei dient. Der vorerst freigelassene Bereich bietet derzeit Platz für Anlieferung und Parkierung und kann künftig für weitere Ausbauten der Keller oder des Geschäfts genutzt werden. Sollte dieser Platz nicht ausreichen, besteht zudem die Möglichkeit, das Dachsystem nach Westen zu verlängern.

Diese Haltung der Anpassungsfähigkeit und Flexibilität zeigt sich auch in der inneren Organisation des Neubaus. Ein zentraler Korridor, der den Produktionsraum mit der Anlieferungszone verbindet, durchquert das Gebäude und erlaubt eine unabhängige Entwicklung der seitlichen Bereiche. Auf der Ostseite, dem öffentlichen Raum zugewandt, befinden sich die für Kunden und Produzenten zugänglichen Räume wie das Geschäft und die Kühlzelle, während die westlichen Bereiche den Personalräumen vorbehalten sind.

Beim Betreten des Ladens einer typischen Dorfkäserei findet man sich oft in einer pastichierten Welt wieder, die ein idealisiertes Bild der Schweizer Milchproduktion zu beschwören versucht: mit Altholz im Chaletstil verkleidete Wände, Scherenschnitte mit Alpaufzug und Fonduecaquelons mit Schweizerkreuz. Im Gegensatz dazu begegnet der Eingeweihte im Produktionsbereich einer gänzlich anderen Welt: steril, funktional und auf Effizienz ausgelegt. Hier dominieren die weisse Reinheit von Harz- und Keramikoberflächen sowie Edelstahlkessel und -leitungen.

Das Projekt sieht in dieser zweiten, realistischen Vorstellung eine phänomenologische Chance und verbindet sie mit der Analogie zu den benachbarten, makellos weissen Gebäuden. In diesem Geist werden die unterschiedlichen Materialitäten in Weissnuancen umgesetzt, wobei sich ihr Ausdruck allein durch Textur und Haptik entfaltet – ganz im Sinne der „Outrenoirs“ von Pierre Soulages. Indem die Atmosphäre der Produktionsräume für die Kunden erlebbar wird, entsteht ein authentisches Besuchserlebnis, das an die frühere Praxis erinnert, als der Konsument direkt im Produktionsraum empfangen wurde.

«Die vom Menschen geschaffenen Objekte und Kunstwerke, Repliken und Unikate, Werkzeuge und Ausdrucksformen – all das unterliegt der Formung durch eine Reihe miteinander verbundener Ideen, die sich innerhalb einer gemeinsamen zeitlichen Sequenz entfalten. Aus all dem entsteht eine in der Zeit orientierte Figur.»
Georges Kubler, Formen der Zeit

Das Projekt von Bard Yersin Architectes wurde für den Swiss Arc Award 2025 eingereicht und von Elisa Schreiner publiziert.

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