Umnutzung Bauernhaus
,
Schweiz
Veröffentlicht am 07. April 2025
Bard Yersin Architectes Sàrl
Teilnahme am Swiss Arc Award 2025
Projektdaten
Basisdaten
Gebäudedaten nach SIA 416
Beschreibung
Das Projekt besteht in der Schaffung von drei zusätzlichen Wohnungen in einem Bauernhaus aus dem 18. Jahrhundert, das im Herzen des historischen Dorfkerns von Grandvillard steht. Die Bauernhäuser der Region aus dem 18. und 19. Jahrhundert folgen alle denselben verteilungsbezogenen Prinzipien. Das Volumen, definiert durch ein grosses, einheitliches Dach, ist in quer zum First verlaufende Tragachsen gegliedert und beherbergt sowohl das Wohnhaus als auch den landwirtschaftlichen Teil. Die Wohnung befindet sich systematisch an einem der Giebel und gliedert sich in zwei bis drei Zellen, die durch einen quer verlaufenden Flur erschlossen werden. Der landwirtschaftliche Teil besteht in der Regel aus zwei bis drei Achsen mit Heulager, einem oder zwei Ställen und eventuell einem Wagenschopf oder Geräteraum.
Dieses System bietet eine gewisse Flexibilität, sodass je nach Bedarf ein oder mehrere Raster hinzugefügt werden können. Solche Erweiterungen beschränken sich meist auf die Anfügung eines zusätzlichen Schopfs oder Stalls. Es gibt jedoch auch Beispiele, bei denen sich das Schema in die Länge entwickelt, um eine Reihe – ein sogenanntes Voisinage – zu bilden, das bis zu zehn Wohneinheiten und landwirtschaftliche Teile in Aneinanderreihung vereinen kann. Das in unserem Projekt behandelte Bauernhaus gehört zu einem weniger gebräuchlichen Typus: Statt das System längs zu erweitern, wird es in die Tiefe verdoppelt. Das Resultat ist ein besonders tiefes Gebäude, das ursprünglich zwei Wohneinheiten und einen grosszügigen landwirtschaftlichen Teil umfasste.
Leider ging diese Besonderheit im Laufe der verschiedenen Umbauten verloren: Die zweite Wohnung wurde entfernt, um die landwirtschaftlichen Flächen zu vergrössern, während die verbliebene Wohnung in den 1980er-Jahren stark verändert wurde. Die ursprüngliche typologische Substanz beider Wohnungen ist daher unbekannt. Die erhaltenen ursprünglichen Öffnungen, insbesondere die zentrale Tür an der Südfassade, deuten jedoch darauf hin, dass diese Wohnungen keinen durchgehenden Flur hatten – ein typisches Element der Freiburger Bauernhäuser. Das erscheint logisch, denn die Präsenz einer zweiten Wohnung in der Tiefe hätte die Sinnhaftigkeit eines solchen Flurs ohnehin infrage gestellt. Es ist daher anzunehmen, dass die räumliche Organisation jener der sogenannten maison carrée der Region ähnelte, welche in der Regel aus zwei strukturellen Zellen besteht, die ihrerseits in zwei oder drei Räume unterteilt sind.
Der Entwurf von Bard Yersin Architectes zielt darauf ab, die typomorphologische Kohärenz des Gebäudes wiederherzustellen, indem die Beziehungen zwischen seinen verschiedenen Teilen klargestellt werden. Zu diesem Zweck wird die verschwundene Wohnung neu aufgebaut, während die Fläche des landwirtschaftlichen Teils, die über die ehemalige Wohnung hinausreicht, in einen Zwischenraum zwischen Innen und Aussen umgewandelt wird. Dieser dient sowohl als Eingangsbereich wie auch als überdachte Terrasse. Die beiden anderen Wohnungen sowie die gemeinschaftlichen Räume befinden sich in den ehemaligen Ställen, wodurch der Heustock – als hierarchisch wichtigster Raum – seine ursprüngliche räumliche Qualität bewahren kann, nun aber als Eingangshalle für die neuen Wohnungen dient. Die bestehende Wohnung wird renoviert und im Dachgeschoss erweitert.
Die Rekonstruktion der verschwundenen Wohnung erfolgt durch Analogie zu ihren ursprünglichen Prinzipien, jedoch unter Integration zeitgenössischer Elemente zur Optimierung der räumlichen Qualität. Die nördliche Fassade wird als durchbrochene Mauer wiedererrichtet, wobei die Öffnungen maximal ausgereizt werden, um das tiefe Volumen mit möglichst viel Tageslicht zu versorgen. Der Grundriss folgt den ursprünglichen typologischen Prinzipien: zwei strukturelle Zellen, unterteilt durch Trennwände in verschiedene Räume. Die zentrale Wand, in Beton neu aufgebaut, wird grosszügig durchbrochen, um die visuelle Verbindung zwischen den beiden Hauptbereichen im Erdgeschoss zu stärken. Im Obergeschoss wird die dunkle Erschliessungshalle der Schlafzimmer durch ein Dachfenster beleuchtet, dessen Volumen an die ehemaligen Schornsteinaufsätze (bornes) erinnert. In derselben Logik werden die Böden aus Holz neu aufgebaut, während die innere Fensterarchitektur durch Betonstürze ergänzt wird – als zeitgenössisches Echo auf die in der traditionellen Mauerwerksarchitektur verwendeten Holzstürze.
Die ehemaligen Ställe beherbergen zwei Wohnungen, deren räumliche Organisation auf der bestehenden Logik der Südfassade aufbaut. Obwohl landwirtschaftlich geprägt, verfügte diese ursprünglich bereits über eine Serie von Fenstern über den Öffnungen für das Vieh, was ihr eine gewisse Wohnlichkeit verlieh. Ihre Gliederung lässt auf zwei kleine Häuser beidseits des Heustocks schliessen – eine Lesart, die das Projekt durch entsprechende Typologien weiterführt: Wohnräume im Erdgeschoss, Schlafzimmer im Obergeschoss. Die vorhandenen Niveauunterschiede des Bodens erzeugen dabei Halbetagen, welche die Raumwahrnehmung bereichern. Diese neuen Volumen fügen sich zwischen die bestehenden Tragstrukturen ein und nehmen bewusst ihre Rolle als zeitgenössische Ergänzung in einem ursprünglich landwirtschaftlichen Raum an.
Das Projekt von Bard Yersin Architectes wurde für den Swiss Arc Award 2025 eingereicht und von Elisa Schreiner publiziert.