Umbau Wohnhaus Bätscher
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Schweiz
Veröffentlicht am 24. März 2022
1899 Architekten
Teilnahme am Swiss Arc Award 2022
Projektdaten
Gebäudedaten nach SIA 416
Beschreibung
In vierter Generation arbeitet Manuel Bätscher als Steinbildhauer in seinem Atelier an der Kanderstegstrasse in Frutigen. Im Ober- und Dachgeschoss des 1937 als traditioneller Fleckenbau errichteten, frei stehenden Wohn- und Werkstattgebäudes bewohnte die Familie mit drei Söhnen im Alter von eins bis sechs Jahren eine 6,5-Zimmer-Wohnung. Die Bauherrschaft hatte das Bedürfnis, ihr Zuhause räumlich zu reduzieren, um die so gewonnene Wohnfläche mit Menschen, die kurzfristig eine Bleibe brauchen, zu teilen. So sollen beispielsweise allein erziehende Mütter durch die nachbarschaftliche Nähe am Leben der Familie teilnehmen können, was in der Kinderbetreuung Entlastung und emotional Raum schafft für dringend benötigte Erholung. Die suffiziente Lebenshaltung der Bauherrschaft erhält durch diese Zielsetzung neben der ökologischen auch eine soziale Dimension.
Die geschickt in die bestehende Struktur eingepasste Einliegerwohnung erhöht die Qualität im gesamten Geschoss, insbesondere auch mit sorgfältig entwickelter Raumfolge zwischen Bestand und Neuem. Neben der räumlichen Optimierung, Umgestaltung und Sanierung umfasst das Gesamtkonzept auch eine Wohnraumerweiterung. Der Annex ersetzt den vormals angebauten Wintergarten und erhöht zugleich die Nutzbarkeit des Aussenraums. Das feine, vorspringende Dach lässt den Anbau leicht erscheinen. Er entzieht sich einer klaren holzbautechnischen Einordnung, ist vielmehr konstruktiver Hybrid. Die Holzfassade ist geköhlt, zunehmend bekannt als Yakisugi. Das verkohlte Holz als Fassadenhaut schliesst sich der von Sonne, Wind und Wetter gegerbten Chaletfassade in selbstständiger Weise an.
Durch die Neuordnung des Obergeschosses und der Wohnraumerweiterung verfolgt der Entwurf eine Strategie von möglichst reduzierten, gezielten baulichen Eingriffen. Es wurde nur wenig vorhandene Bausubstanz und damit kaum Grauenergie vernichtet. Durch den Einbau der Einliegerwohnung und die dadurch höhere Belegung der Wohnfläche wird pro Person weniger Energie für die Heizung benötigt. Zusammen mit dem Umbau wurde die alte Ölheizung ersetzt und das Wohn- und Werkstattgebäude an die holzschnitzelbetriebene Fernheizung eines lokalen Holzbauers angeschlossen, wodurch der CO₂-Ausstoss deutlich reduziert wird. Bei der Vergabe der Bauarbeiten wurden weitgehend lokale Handwerker berücksichtigt. So kommen drei Viertel der beauftragten Baufirmen aus Frutigen oder einem der Nachbardörfer.
Auch wenn das Gebäude nicht im Bauinventar des Kantons Bern als schützens- oder erhaltenswert eingetragen ist, wurde beim Um- und Weiterbauen eine sinnliche Nähe zum Bestand gesucht. So fällt innen kaum auf, wo das gestrichene, stumpf gestossene Massivholztäfer mit unregelmässigen Fugen neu, und wo es erhalten geblieben ist. Eine schöne Rückmeldung der Bauherrschaft erhielten die Architekten bei einem Büroausflug nach Frutigen: «Obschon die Wohnung nun kleiner ist als vor dem Umbau, haben wir das Gefühl, dass uns mehr Platz zur Verfügung steht!» – geschickt proportionierte und vielfältig möblierbare Räume mit einem sinnlichen Charakter bieten mehr! Dabei lohnt es sich auch, Ausbauten wie Küche und Bad sowie Einbaumöbel im Detail durchzuplanen, bis alles stimmt. Das beidseitig bedienbare Holzregal als seitlicher Küchenabschluss zum Beispiel nimmt in seiner Verlängerung die Ungenauigkeiten der alten Fassadenflucht mit unterschiedlichen Tiefen auf, nutzt so den Raum optimal und fasst dennoch den neuen Wohnraum mit einer schlichten, einheitlichen Erscheinung. Die Eckverglasung in der Südecke des erweiterten Wohnraums bietet sowohl eine äusserst beliebte und belebte Sitznische als auch Stauraum im integrierten Auszug. Der feine Lamellenrost aus Weisstanne auf der Südostseite der Nische verhindert den direkten Einblick in die Einliegerwohnung, lässt den-noch die Sonne gefiltert in die Wohnung scheinen und den Blick auf die beeindruckende Bergwelt schweifen.