Integrierte Einliegerwohnung

 
3714 Frutigen,
Schweiz

Veröffentlicht am 16. November 2023
1899 Architekten
Teilnahme am Swiss Arc Award 2024

Projektdaten

Basisdaten

Projektkategorie
Fertigstellung
01.2021
Links

Gebäudedaten nach SIA 416

Stockwerke
3 bis 5
Anzahl Wohnungen
1

Beschreibung

Das 1937 als traditioneller Fleckenbau errichtete Wohn- und Werkstattgebäude in Frutigen wurde von 1899 Architekten nach den sozialen Wünschen der Bauherrschaft umgebaut. Die Integration einer neuen Einliegerwohnung in die bestehende Raumstruktur wirkt sich positiv auf das gesamte Raumgefüge aus. Dabei sorgen elegante Lösungen für eine harmonische Verbindung von Bestand und Neubau.

Ausgangslage

Das Atelier dient der Steinbildhauerei bereits in vierter Generation. Im Ober- und Dachgeschoss bewohnte die Eigentümerfamilie mit drei Söhnen eine 6,5-Zimmer-Wohnung. Die Bauherrschaft hatte jedoch das Bedürfnis, ihr Zuhause räumlich zu reduzieren, um die so gewonnene Wohnfläche mit Menschen, die kurzfristig eine Bleibe brauchen, zu teilen. So sollen beispielsweise alleinerziehende Mütter durch die nachbarschaftliche Nähe am Leben der Familie teilnehmen können. Die suffiziente Lebenshaltung der Bauherrschaft erhält durch diese Zielsetzung neben der ökologischen auch eine soziale Dimension.

Entwurfsidee

Die durchdacht in die bestehende Struktur eingepasste Einliegerwohnung erhöht die räumliche Qualität des gesamten Geschosses – insbesondere durch die sorgfältig entwickelte Raumabfolge von Bestehendem zu Neuem. Neben der räumlichen Optimierung, Umgestaltung und Sanierung umfasst das Gesamtkonzept auch eine Wohnraumerweiterung. Der Annex ersetzt den vormals angebauten Wintergarten und erhöht zugleich die Aussenraum-Nutzbarkeit. Das feine, vorspringende Dach lässt den Anbau leicht erscheinen. Er entzieht sich einer klaren holzbautechnischen Einordnung und ist vielmehr ein konstruktiver Hybrid. Die Holzfassade ist gekohlt, zunehmend bekannt als Yakisugi. Das verkohlte Holz als Fassadenhaut schliesst sich der von Sonne, Wind und Wetter gegerbten Chaletfassade in selbstständiger Weise an.

Projektierung

Durch die Neuordnung des Obergeschosses und der Wohnraumerweiterung verfolgt der Entwurf eine Strategie von möglichst reduzierten, gezielten baulichen Eingriffen. Es wurde nur wenig vorhandene Bausubstanz vernichtet. Durch den Einbau der Einliegerwohnung und die dadurch höhere Belegung der Wohnfläche wird pro Person weniger Energie für die Heizung benötigt. Zusammen mit dem Umbau wurde die alte Ölheizung ersetzt und das Wohn- und Werkstattgebäude an die Holzschnitzel-betriebene Fernheizung eines lokalen Holzbauers angeschlossen. Der CO₂-Ausstoss wird dadurch deutlich reduziert. Bei der Vergabe der Bauarbeiten wurden weitgehend lokale Handwerker berücksichtigt. So kommen 3/4 der beauftragten Baufirmen aus Frutigen oder einem der Nachbardörfer.

Realisierung

Auch wenn das Gebäude nicht im Bauinventar des Kantons Bern als schützens- oder erhaltenswert eingetragen ist, wurde beim Um- und Weiterbauen eine sinnliche Nähe zum Bestand gesucht. So fällt innen kaum auf, wo das gestrichene, stumpf gestossene Massivholztäfer mit unregelmässigen Fugen neu und wo es bestehend ist. Eine schöne Rückmeldung der Bauherrschaft an die Architekten: «Obschon die Wohnung nun kleiner ist als vor dem Umbau, haben wir das Gefühl, dass uns mehr Platz zur Verfügung steht!» Ausbauten wie Küche und Bad sowie Einbaumöbel sind geschickt proportioniert. Zum Beispiel nimmt das beidseitig bedienbare Holzregal als seitlicher Küchenabschluss in seiner Verlängerung die Ungenauigkeiten der alten Fassadenflucht mit unterschiedlichen Tiefen auf, nutzt so den Raum optimal und fasst dennoch den neuen Wohnraum mit einer schlichten, einheitlichen Erscheinung. Die Eckverglasung in der Südecke des erweiterten Wohnraums bietet sowohl eine äusserst beliebte und belebte Sitznische als auch Stauraum im integrierten Auszug. Der feine Lamellenrost aus Weisstanne auf der Südostseite der Nische verhindert den direkten Einblick in die Einliegerwohnung, lässt dennoch die Sonne gefiltert in die Wohnung scheinen und den Blick auf die beeindruckende Bergwelt schweifen.

Das Projekt von 1899 Architekten wurde im Rahmen des Swiss Arc Award 2024 eingereicht und von Sabrina Hobi publiziert.

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