Umnutzung Büro- zum Wohnhaus Brückenkopf

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3007 Bern,
Schweiz

Veröffentlicht am 30. März 2022
Bauart Architekten und Planer AG
Teilnahme am Swiss Arc Award 2022

Projektdaten

Basisdaten

Lage des Objektes
Eigerstrasse 73, 3007 Bern, Schweiz
Projektkategorie
Gebäudeart
Fertigstellung
09.2021
Links

Gebäudedaten nach SIA 416

Stockwerke
6 bis 10
Anzahl Kellergeschosse
mehr als 2
Anzahl Wohnungen
53
Grundstücksfläche
2695 m²
Geschossfläche
9502 m²
Gebäudevolumen
26'909 m³
Gebäudekosten (BKP 2)
15,9 Mio. CHF

Beschreibung

Am westlichen Auflager der Monbijoubrücke in Bern wurde ein Bürohaus aus den 1960er-Jahren in ein vielfältiges Wohnhaus umgebaut.

Ausgangslage

Das Projekt entspricht einer gestapelten Stadt in der Stadt, verbindet zwei Stadtebenen und unterschiedliche Nutzungen miteinander und verhilft dem urbanen Ort zu neuem Leben. Das Bürohaus aus den 1960er-Jahren stand 2016 vor einer grosszyklischen Sanierung. Im Rahmen der Testplanung Gaswerkareal entstand die Idee, das Bürohaus in ein Wohnhaus zu überführen. Gemeinsam mit der Bauherrschaft wurde entschieden, das Haus nicht nur zu sanieren, sondern gleichzeitig einer neuen Nutzung zu überführen.

Entwurfsidee

Mit der Umwidmung von Büro in Wohnen leistet das Projekt einen wichtigen Beitrag zur Belebung und Attraktivierung des Quartiers. Der Standort ist über zwei Stadtebenen optimal erschlossen und wird im Zusammenhang mit der zukünftigen Aufwertung des Gaswerkareals weiter an Attraktivität gewinnen. Der Brückenkopf als Marke soll in Zukunft weiter etabliert werden. Aufgrund der für Berner Verhältnisse sehr städtischen Lage wurde ein Nutzungskonzept mit dem Titel «urban living» entwickelt. Realisiert wurden 53 Kleinwohnungen (1,5-Zimmer, 2,5-Zimmer und 3,5-Zimmer), Lofts für Ein- und Zweipersonenhaushalte sowie Appartements für Kurzaufenthalte. Neben den Wohnungen bereichern ein kleines Restaurant auf Brückenniveau und gemeinschaftliche Nutzungen wie eine Dachterrasse, ein Waschsalon sowie gut erreichbare Veloräume das vielfältige Angebot. Im Sockel des Gebäudes befinden sich darüber hinaus weitere Nutzungen in den Bereichen Freizeit, Sport und Einkauf, welche direkt an das neue Wohngebäude angebunden wurden.

Projektierung

Die Wohntypologien sind abhängig von der Lage der Wohnung innerhalb der Liegenschaft beziehungsweise von den damit verbundenen Lagequalitäten. Der Wohnungsmix verändert sich von unten nach oben und der Ausbaustandard reagiert auf Ausrichtung und Aussicht.
Zu allen vier Seiten brechen neue, übereinander liegende Loggien die rigide Form und schaffen vertikale Fugen. Was man von aussen nicht ahnt: Ihre gedachten Achsen kreuzen sich in der zentralen Eingangshalle. Diese wiederum liegt in einem Abschnitt, in dem der konstruktive Raster ausnahmsweise schmaler ist, begründet durch das hier bestehende Treppenhaus, das von einem aussteifenden Betonschacht umgeben ist.

Realisierung

In der Gestaltung der Eingangshalle kulminieren die zentralen Gestaltungsansätze, die bei diesem Umbau verfolgt wurden: Durch eine kreisrunde Öffnung in der Decke, die sich durch alle darüber liegenden Etagen stanzt, überhöht sich der Raum als Dreh- und Angelpunkt. Tageslicht gelangt über das Oberlicht in die Tiefe, und die Öffnung der Etagen zueinander ermöglicht eine direkte vermittelte Kommunikation. Die aus den Sockelgeschossen kommende Treppe ist ab der Eingangshalle nach oben geschlossen und führt neu hinter dem zentralen Liftblock weiter. Indem die Decken über den ehemaligen Treppenhausschacht hinweg auf allen Etagen mit Ortbeton ergänzt wurden, gewinnt der Bau kostbare, an der Fassade gelegene Fläche zugunsten der Wohnräume. Gleichzeitig gewährleistet der Kern in Verbindung mit den Stützen in den Aussenwänden die Erdbebensicherheit.
Eine Sanierung der bestehenden Fassade aus den Sechzigerjahren wurde aufgrund eines Gutachtens verworfen. Die neue Fassade orientiert sich an der veränderten Nutzung mit grossen Panoramafensterbändern, nimmt aber in der Materialisierung Elemente der alten Fassade auf.

Besonderheiten

Der typische Stützen-/Plattenbau aus den 1960er-Jahren wurde auf den Rohbau rückgebaut. Die neuen Wohnungen wurden komplett in Mauerwerk und Leichtbau gebaut und die Architektur soll über die freigestellten Stützen, frei stehende Wände und eine freigespielte Fassade weiterhin erlebbar bleiben. Mittels Schiebetüren lassen sich einzelne Räume zuschalten oder abtrennen, beziehungsweise kann der Raum entlang der Fassade komplett geöffnet werden. Die dadurch erzielte Grosszügigkeit gibt den Wohnungen einen loftartigen Charakter, welcher sich als prägendes Element durch das ganze Gebäude zieht.
Die Durchmischung der 19 verschiedenen Wohnungstypologien folgt einem Raster, nach dem je zwei übereinanderliegende Etagen gleich unterteilt sind. Nach Westen in den unteren Geschossen ist die Aussicht nicht so spektakulär. Hier sind einfach gehaltene Studios angesiedelt. Gerade in den kleineren Einheiten kommt die Qualität der klaren Raumgliederung zum Tragen. Unterschiedliche Brüstungshöhen (sie wechseln von 100 über 70 zu 40 Zentimetern in den oberen Etagen) unterstreichen die jeweilige Lagequalität.
Durch Glasstreifen neben den Wohnungstüren fällt Tageslicht in den gemeinsamen Erschliessungsraum. Zusammen mit dem Licht, das vom kreisrunden Dachfenster herunter strahlt, wird der Tagesablauf spürbar. Um die ehemaligen Büros als Wohnungen nutzbar zu machen, wurde das Gebäude in den Rohbauzustand zurückversetzt und mit neuen Schächten für die Haustechnik versorgt.
Das rundum begehbare Dach mit einem Weitblick, der neue Perspektiven über die Stadt bis zu den Alpen eröffnet, bildet den krönenden Abschluss des Gebäudes. Die Dachterrasse steht allen Bewohnern und Gästen als Gemeinschaftsfläche zur Verfügung und lädt ein zu ungezwungenen Begegnungen. Auf einer Fläche von 640 Quadratmetern ist Platz für zwei Aussenküchen, gedeckte wie freie Sitzplätze und sogar ein wenig Grün. Von dort aus ist der Verkehrslärm von der Monbijoubrücke nurmehr als urbane Untermalung wahrzunehmen.

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