
V-Bahn Terminal
,
Schweiz
Veröffentlicht am 31. März 2022
von Allmen Architekten AG
Teilnahme am Swiss Arc Award 2022
Projektdaten
Basisdaten
Gebäudedaten nach SIA 416
Beschreibung
Die V-Bahn mit den neuen Bahnen und direkter Anbindung an den öffentlichen Verkehr definiert den Ersteintritt in die Bergwelt der Jungfrauregion neu. Der Terminal mit Bistro, Shops, VIP-Lounge, Skidepots sowie einem Parkhaus ist Ausgangslage für die beiden Bahnen nach Männlichen und Eigergletscher.
Ausgangslage
Die Jungfraubahnen Gruppe ist eines der führenden touristischen Unternehmen der Schweiz. Sie besitzt mit «JUNGFRAU – Top of Europe» einen internationalen Top Brand und betreibt eines der fünf grössten Skigebiete der Schweiz. Die Konzession der Gondelbahn Grindelwald-Männlichen AG wiederum, welche das Gebiet Männlichen erschliesst, lief Ende 2018 aus. Mit der Planung und dem Bau einer neuen, modernen und leistungsstarken Bergbahn für das Gebiet Kleine Scheidegg/Jungfraujoch sowie Männlichen, sollte das Winter- und Sommerangebot der beiden Bahnunternehmen verbessert und weiterentwickelt werden.
Entwurfsidee
Die vorherrschende Gebäudekörnung ist kleinmassstäblich und das Orts- und Landschaftsbild wird vorwiegend durch Chaletbauten geprägt. Der Aussenraum umfliesst die Gebäude mit grünen Wiesen. Im Entwurf wurde daher Wert auf gut situierte, funktionelle, nachhaltige und ästhetische Bauwerke gelegt. Der Bau liegt am tiefsten Punkt des Grindelwaldtals, ist grösstenteils erdüberdeckt und nur südseitig in der ganzen Dimension sichtbar. Das Gebäudevolumen fügt sich dank der klaren Hierarchie in das Landschaftsbild und die bestehende Baustruktur ein. Diese Entwurfsabsicht zeigt sich in den beiden Seilbahnstationen als Lichtlaternen und durch das Oblicht in Form einer Gletscherspalte. Die Bauten sollen die Kraft der Bergregion symbolisieren: massiv, verankert, zeitlos, dauerhaft und verlässlich. Lichtdurchflutete Hallen bieten gezielte Ausblicke in die spektakuläre Bergwelt. Die Materialien sind echt, geschichtsträchtig, modern eingesetzt und schaffen ein einzigartiges Ambiente. Die Ausgestaltung der Fassade hebt die Talstationen der Seilbahnen als Hauptakteur der V-Bahn hervor und steht im Bezug zur traditionellen Holzbauweise des Dorfes. Der Terminal, welcher beide Talstationen in einem Gebäude zu verbinden vermag, wird wegen der hohen Besucherströme in erster Linie durch die konfliktfreie Wegführung des Personenflusses definiert. Die Personenströme aller Richtungen werden in einer Halle zusammengeführt, um dort den direkten Zugang zu den beiden Bahnen zu ermöglichen.
Projektierung
Mit einem Gebäudevolumen von 30000 Kubikmetern prägen die beiden Talstationen das Landschaftsbild in Grindelwald. Daher wurde besonderen Wert auf die Materialen gelegt, welche im direkten Bezug zur Holzbauweise des Dorfs stehen und mit dieser harmonieren. Das Tragwerk der beiden Terminals umfasst unbehandelte Brettschichtholzträger auf Holzstützen sowie kreuzförmig angeordnete Stahl-Zugstangen zur Gebäudeaussteifung und nutzt die Vorteile der beiden Rohstoffe ideal aus. Die Trägerstützen und die dazwischenliegenden Fassadenstützen sind den Verglasungen vorgesetzt und somit der Witterung ausgesetzt. Es war daher wichtig, die Anschlussdetails so zu lösen, dass trotzdem eine lange Dauerhaftigkeit erreicht werden kann. Bei Bedarf ist eine mögliche Austauschbarkeit einzelner Stützen gewährleistet. Das Gebäudevolumen der beiden Stationen wurde mit rund 900 Kubikmetern nachhaltigem Holz aus der Schweiz umbaut. Diese Menge wächst im Schweizer Wald innerhalb von 80 Minuten nach.
Sichtbeton dominiert den Rohbau. Generell wurde grossen Wert auch dauerhafte und unterhalsarme Materialien gelegt, die der hohen Beanspruchung gerecht werden. Die gesamte Lauffläche ist mit einem Gummigranulatboden ausgelegt, welcher rutschfest ist und als zusätzliche akustische Massnahme dient.
Realisierung
Das Bauen unter Betrieb bedurfte einer strukturierten und sorgfältigen Ablaufplanung. Der Sicherheit von Gästen, Personal und Handwerkern wurde dabei maximale Aufmerksamkeit geschenkt. Um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten, wurden die Logistik, Gästeströme und Baustellenbereiche konsequent getrennt und laufend überwacht. Insbesondere nach der Teilinbetriebnahme der Haltestelle Grindelwald Terminal und der Gondelbahn nach Männlichen, ein Jahr vor der Gesamtfertigstellung, mussten auch die Fluchtwege im möglichen Ereignisfall jederzeit gewährleistet sein.
Die kurze Bauzeit erforderte eine funktionierende Baustelle im Winter. Die daraus resultierten Herausforderungen mit teils extremen Wettereinflüssen verursachten Zusatzkosten und stellten hohe Anforderungen an die Qualität der Bauarbeiten. Auch die technisch komplexen Vorgaben konnten aufgrund der kurzen Planungsvorlaufzeit teilweise erst während des Baus gelöst werden.
Eine weitere Herausforderung war die Tatsachen, dass die Gemeinde Grindelwald teilweise im Rutschgebiet lieg. Insbesondere in der Talsohle waren die geologischen Einwirkungen ständig zu überwachen. Beim Parkhaus konnte der Aushub nur mittels aufwändiger Baugrubensicherung erfolgen. Die Spundwände wurden als zusätzliche Stabilisator auch nach Bauvollendung im Boden belassen.
Besonderheiten
Die Förderleistung der 3S-Bahn «Eiger Express» beträgt 2200 P/h und die der Gondelbahn Grindelwald-Männlichen 1800 P/h. Total können bis zu 4000 P/h mit den Seilbahnen in die Berge befördert werden. Durch die hohen Förderleistungen werden die beiden Bahnen auch als Beschäftigungsanlage genutzt und die verschieden Talabfahrten dienen bereits während des Tages als zusätzliche Pistenkilometer.
Als weitere Attraktivität für Reisende in Gruppen wurde ein separater Zugang geschaffen, der von den anderen Personenströmen unabhängig funktioniert. Von der Aus- und Einladestelle der Reisebusse im Level 0 gelangen die Gäste direkt auf das Abfahrtsperron des «Eiger Expresses».
Der gesamte Warentransport an den Eigergletscher und auf das Jungfraujoch erfolgt mit der 3S-Bahn. Für den Gütertransport wurden im Level 0 Umschlagplätze für beide Bahnen gebaut. Lastwagen können direkt dazu fahren und die Waren umschlagen. Via Warenlifte gelangen die Waren ins Level 0, wo die Güter-Gondeln mittels Förderbänder und Roboter be- und entladen werden.