Verdichtung am Rennweg
,
Schweiz
Veröffentlicht am 26. November 2024
BEM Architekten AG
Teilnahme am Swiss Arc Award 2025
Projektdaten
Basisdaten
Gebäudedaten nach SIA 416
Beschreibung
Mit dem Neubau am Rennweg in Wettingen gelang es massvoll zu verdichten und gleichzeitig die Charakteristik des Quartiers zu stärken. Das Projekt wurde auf der Gartenparzelle eines bestehenden Wohnhauses realisiert. Anstelle eines separaten Volumens dockt das Mehrfamilienhaus mit seiner offenen Erschliessung an das bestehende Wohnhaus an und bietet diesem neue, hochwertige Aussenräume. Die Volumetrie wurde in seiner städtebaulichen Form so präzis geschliffen, dass es sich trotz der hohen Dichte behutsam in die schmucke Häuserreihe entlang der Strasse eingliedert. Mit seiner polygonalen Form gelang es, den Auftritt der bestehenden Bauten zu erhalten und gleichsam eine eigene, selbstbewusste Präsenz zu finden.
Ausgangslage
Der Neubau erhielt den Garten eines bestehenden Wohnhauses als Bauplatz mit dem Wunsch, die Ausnützung der Parzelle zu optimieren. Das schmucke Quartier in der Nähe des Bahnhofs Wettingen entstand zwischen 1880 und 1940, als die ansiedelnde Industrie langsam für mehr Prosperität sorgte. Diese ist sowohl in der individuellen und einfallsreichen Gestaltung der Häuser, aber auch in den privaten Gärten sichtbar. So präsentiert sich das Quartier auch heute noch mit seinen Punkthäusern inmitten sorgfältig gepflegten Grüns.
Entwurfsidee
Die Parzelle zu verdichten bedeutete, den Garten zu opfern und dem bestehenden Wohnhaus den grosszügigen Auftritt und die Aussicht zu nehmen. Mit einem intelligenten Städtebau konnte dies elegant umgangen werden. Durch seine Abwinklungen präsentiert sich das grosse Volumen im Strassenzug einiges schlanker und kleiner, als es eigentlich ist. Damit gewährt es dem bestehenden Haus seine bisherige Präsenz und den Bewohnern ihre Weitsicht. Anstatt den Neubau in grösstmöglicher Distanz zum Bestand zu erstellen, wurde in die gegenteilige Richtung gearbeitet und das Volumen direkt an diesen herangeführt. Als Brücke zwischen alt und neu wurden grosszügige Balkone für den Bestand geschaffen, dessen Wohnungen bisher keine privaten Aussenräume aufwiesen. Im Anschluss folgt ein offenes Treppenhaus, welches dem Neubau als Erschliessung und dem Bestand als Gartentreppe dient, welche die Balkone mit dem erdgeschossigen Grün verbindet.
Projektierung
Im Innern des Neubaus organisieren sich die Räume um die zentrale Küche und deren Insel. Der offene und flexibel möblierbare Wohnraum öffnet sich nach Südosten, wo ein grosszügiger privater Aussenraum anschliesst. Eine Kombination aus grossen Festverglasungen und Öffnungsflügeln eröffnet mannigfaltige Ausblicke in den Garten und die Umgebung. Im Bestand heben kleine Eingriffe den Standard auf ein zeitgenössisches Niveau, ohne den alten Charme des Hauses zu verlieren. Wie so oft wies dieser unterschiedliche Ausbauten und Eingriffe auf, die im laufenden Unterhalt des Hauses getätigt wurden. Es wurde bewusst auf einen unnötigen Ersatz verzichtet und so laufen die Unterhaltszyklen im Innern des Bestandes ungebrochen weiter.
Realisierung
Der Neubau wurde mit einer hybriden Konstruktion aus Holz und Beton umgesetzt, wobei alle tragenden Wände aus massiven, tragenden Holzplatten gefügt sind. Die Decken und das bewitterte Treppenhaus wurden in Beton konstruiert, womit jedes Material seine eigenen Stärken zeigen kann. Die hölzerne Konstruktion steht statisch wie optisch auf einem massiven Betonsockel. Dieser führt den Putzsockel des Bestandes weiter und verbindet subtil Alt und Neu. Im Zwischenraum erwächst aus diesem Sockel das skulpturale Treppenhaus, welches dereinst genauso grün bewachsen sein wird wie der vorgelagerte Garten. Der Neubau wurde mit einer hinterlüfteten Holzfassade verkleidet, welche die dahinterliegende hölzerne Konstruktion erahnen lässt und sich gleichsam vom Bestand abhebt: Der Massivbau bleibt Hauptakteur, der Neubau erhält mit seiner Fassade einen pavillonhaften, leichten Charakter als eine Reminiszenz an die einfachen Gartenpavillons und Remisen im Quartier. Die gebaute Welt wird durch das Projekt subtil kontrastiert, indem es sich weniger auf die gewachsene Gebäudestruktur als vielmehr auf die Welt des Gartens bezieht.
Attika und Abschlussbleche erstrahlen heute im frischen Rosa der Kupferbleche. Bald schon werden sie langsam Patina entwickeln und in ein Dunkelbraun übergehen. Damit wird sich das Gebäude wandeln und sich in die gediegene Materialisierung des Quartiers einfügen.
Das Projekt von BEM Architekten wurde für den Swiss Arc Award 2025 eingereicht und von Jeannine Bürgi publiziert.