Hortus

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4123 Allschwil,
Schweiz

Veröffentlicht am 03. April 2025
Herzog & de Meuron Basel Ltd.
Teilnahme am Swiss Arc Award 2025

Projektdaten

Basisdaten

Fertigstellung
05.2025
Links

Gebäudedaten nach SIA 416

Grundstücksfläche
2992 m²
Nutzfläche
14'150 m²
Gebäudevolumen
63'200 m³

Beschreibung

Auf dem ehemaligen Gewerbegebiet westlich des Hegenheimermattwegs in Allschwil ist das BaseLink entstanden, ein globaler Standort für innovative Unternehmen aus dem Life-Science-Bereich. Das konsequent nachhaltig konzipierte Bürogebäude Hortus liegt auf dem Areal ehemaliger Schrebergärten und schliesst an den bestehenden Technologiepark an. Umgeben von Sportanlagen, einem Naherholungsgebiet und einem Wohnviertel schafft der Bau eine moderne, kommunikative und flexible Arbeitswelt für eine neue Generation von Technologiefirmen mit ökologischem Bewusstsein. Der Wunsch von Senn war, ein radikal nachhaltiges Bürogebäude mit nachwachsenden und wiederverwertbaren Rohstoffen zu bauen. Die Bauherrin hat mit dieser Vorgabe einen Entwicklungsprozess angestossen, der von Beginn an auf das Zusammenspiel von geringstmöglicher grauer Energie, einem energetisch optimiertem Betriebskonzept und einem erheblichen Überschuss an selbsterzeugter Energie angelegt war. Das ganze Gebäude mit circa 600 neuen Arbeitsplätzen hat nach 31 Jahren die bei seiner Entstehung und während des Betriebs angefallene Energie wieder in den Energiekreislauf zurückgespeist. Die Vision der Bauherrin Senn hat zu einem der nachhaltigsten Bürogebäude im deutschsprachigen Raum geführt.

Grüne Oase im Atrium
Das Gebäude erschliesst sich über einen breiten Durchgang in das grüne Atrium, dem Herzen des Projekts. Über einen Laubengang öffnen sich im Erdgeschoss öffentlich nutzbare Räume, wie ein Restaurant, ein Gym mit Café-Bar, mietbare Besprechungsräume und abgeschirmte Sitzgelegenheiten. Von hier aus erreicht man die ringförmig angelegten circa 10’000 Quadratmeter Büronutzflächen in den Obergeschossen. Der Garten im Innenhof schafft eine grüne Oase mit angenehmen Mikroklima sowie Lebensraum für Pflanzen und Tiere. Es wird durch gesammeltes Regenwasser bewässert. Die vertikal begrünten Innenhoffassaden filtern CO₂ und andere Schadstoffe. Dank seiner hohen Aufenthaltsqualität dient das Erdgeschoss mit Atrium auch als Erholungsort für Mitarbeiter.

Flexible Nutzung
Der Entwurf greift das Thema des innovativen und produktiven Gedankenaustauschs der Mitarbeitenden untereinander als wichtige Voraussetzung für Produktivität auf. Die offenen Grundrisse ermöglichen ein grosses Mass an Flexibilität und unterschiedliche Nutzungsweisen, zugleich werden einige Bereiche von den Nutzenden geteilt. So verfügt jedes Stockwerk über gemeinschaftlich nutzbare Aufenthaltsräume für Mitarbeiter*innen. Das Erdgeschoss wird öffentlich genutzt und nach Süden erstreckt sich eine lange Terrasse zu einem vorgelagerten Park.

Material-Kreisläufe
Hortus steht für House of Research, Technology, Utopia and Sustainability und setzt den Fokus auf innovative und ambitionierte Nachhaltigkeitskonzepte. So unterlag der Entwurfsprozess einer ausgeprägt analytisch-akademischen Materialanalyse, bei der Baumaterialien auf ihre ökologischen und physikalischen Eigenschaften geprüft und verglichen wurden. Ein Hauptkriterium dabei war, dass der Ursprung möglichst natürlich und aus nachwachsenden Rohstoffen sein sollte. Ganz im Sinne des Cradle-to-Cradle-Prinzips wurden alle verwendeten Bauteile katalogisiert und stehen im ökologischen Kreislaufsystem für eine Wiederverwertung oder Rückführung in die Natur zur Verfügung.
Eine reduzierte Palette aus erneuerbaren Materialien wie Holz, Lehm und Zellulose, so wie Glas für Fenster und Solarpaneele unterstreichen den ökologischen Grundgedanken des mehrgeschossigen Holzrahmenbaus. Das Raster ist modular und Holzverbindungen werden gesteckt, um auf Metallverbindungen zu verzichten und am Ende der Nutzungszeit leicht demontierbar und wiederverwertbar zu sein. Der Stampflehm an Decken und Brüstungen sorgt für ein behagliches und gesundes Raumklima.

Neues Deckensystem
In Zusammenarbeit mit ZPF-Ingenieuren, Basel haben Herzog & de Meuron ein Deckensystem aus rechteckigen Holzelementen mit gestampftem Lehm entwickelt. Unter weiterer Mitwirkung von Blumer Lehmann und Lehm Ton Erde wurden die Deckenmodule gemeinsam perfektioniert. Ein Element besteht aus einem gefertigten Rahmen aus Holz, geschlagen in verschiedenen Wäldern der direkten Umgebung. Zwischen eingelegte Massivholzbalken wird der Lehm in Form eines Gewölbes eingestampft. Der dichte Lehm wirkt dabei als Brandschutz und sorgt gleichzeitig für ein gutes Raumklima, da er Feuchtigkeitsschwankungen auszugleichen vermag. Im Sommer dient der Lehm als thermische Masse, um überschüssige Hitze aufzunehmen. Für die Gewinnung des Lehms wird der Aushub vor Ort verwendet. Der Kies aus dem Aushub wird im gegenüberliegenden Schüttwerk gebrochen. In einer Feldfabrik auf dem Nachbargrundstück werden die Decken fabriziert. Mit einem eigens für Hortus entwickelten Verfahren von Firma Lehm Ton Erde wurde die Lehmmischung direkt vor Ort hergestellt und in die Holzdeckenmodule eingestampft. Die Erstellung der Hortus-Decke verursacht zehnmal weniger CO₂-Emissionen als eine konventionelle Flachdecke aus Beton.

Saubere Energie und Minimierung des CO₂-Fussabdrucks
Der Entwurf basiert auf einer drastischen Minimierung des CO₂-Fussabdrucks als entscheidenden Designfaktor und setzt auf ein ganzheitliches Nachhaltigkeitskonzept. Dabei werden Empfehlungen für ökologisches Bauen, wie zum Beispiel der SIA 2040, noch übertroffen. Die kompakte Gebäudeform reduziert Energieverluste und auf ein Kellergeschoss aus Beton wird verzichtet, wodurch der Aushub minimal bleibt und der Bau geradezu über der Landschaft schwebt. Die Luft unter dem Gebäude ist im Sommer kühl und im Winter warm. Dieser energetische Vorteil wird gemeinsam mit Geothermie, die das Haus mit Energie zum Heizen und Kühlen versorgt, zur Temperaturregulierung im Gebäude genutzt. Eine Photovoltaik-Fläche von circa 5000 Quadratmetern auf dem Dach und entlang der externen Brüstungen sorgt für eine unabhängige Versorgung mit erneuerbarer und ressourcenschonender Solarenergie und schafft gleichzeitig so viel Überschuss, dass die graue Energie, die für den Bau des Gebäudes benötigt wurde, innerhalb von 31 Jahren wieder auf null abgebaut wird. Ab Tag eins ist Hortus somit energiepositiv und nach einer Generation ist es ein absolut energiepositives Gebäude. 

Nachhaltigkeit bei Herzog & de Meuron
Herzog & de Meuron versteht Nachhaltigkeit als wichtiges Qualitätsmerkmal und fundamentalen Wert des Unternehmens. Nachhaltigkeit soll nicht nur gebaut, sondern auch gelebt werden, mit dem Fokus auf einen ganzheitlichen Ansatz – weg von generischen Statements hin zum Handeln. Bei der Entwicklung und Realisierung von Projekten ist das Ziel, eine Balance der ökologischen, ökonomischen und soziokulturellen Bedingungen zu schaffen, die den Projekten Relevanz verleiht.
Der Gebäudesektor ist laut Studien von IEA (Internationale Energieagentur) und WEF (World Economic Forum) verantwortlich für den Verbrauch von circa 40 Prozent aller Rohstoffe und Energie. Er ist gleichzeitig einer der Hauptverursacher des weltweiten CO₂-Ausstosses. Als Architekt*innen sehen wir es als unsere Aufgabe, an dieser Schnittstelle Einfluss zu nehmen. Die Frage danach, wie man ein klimaneutrales Gebäude plant, ist eine architektonische Herausforderung, die nicht nur den Einsatz ökologischer Bauprinzipien erfordert, sondern als tiefgehender fortwährender Prozess betrachtet werden soll, bei dem es darum geht, für jede individuelle Situation den bestmöglichen Ansatz zu finden. Dies erfordert ein hohes Mass an Innovation und lösungsorientiertem Design, massgeschneidert für den jeweiligen städtebaulichen, geografischen und kulturellen Kontext. Am Beispiel von Hortus soll gezeigt werden, dass Zukunftsarchitektur zugleich ästhetisch, lokal, gesund und nützlich sein kann für Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft. 

Hortus wird auch umfassend in Swiss Arc Mag 2025–5 vorgestellt. Bestellen Sie bereits jetzt ein Abo, damit das Heft Anfang September 2025 bei Ihnen im Briefkasten landet. 

Das Projekt von Herzog & de Meuron wurde im Rahmen des Swiss Arc Award 2025 eingereicht und von Jørg Himmelreich und Dane Tritz publiziert.

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