Mehrfamilienhaus Flora
,
Schweiz
Veröffentlicht am 18. März 2025
moos giuliani herrmann architekten ag
Teilnahme am Swiss Arc Award 2025
Projektdaten
Basisdaten
Gebäudedaten nach SIA 416
Beschreibung
Kontext
Der Oberusterweg, die heutige Florastrasse, ist ein historischer Verkehrsweg, der nach Oberuster und weiter via Aathal nach Wetzikon führte. Entlang des Strassenabschnittes zwischen Sternenplatz – der heutige Kreisel beim Stadthaus war Kreuzungspunkt der Wegverbindungen von Nordsüd und Ostwest – und Oberuster wurde nordseitig schon 1850 (Karte Wild) von Wohnhäusern gesäumt. Auf der Südseite, zwischen Strasse und Aabach befanden sich zwei Spinnereien.
Diese Struktur ist noch heute lesbar: Die nördliche Strassenseite mit vielen Einzelbauten ähnlicher Grösse und regelmässigem Rhythmus und die Südseite mit Massstabssprüngen und unterschiedlichen Abständen. Mit dem Bau der Eisenbahn hat sich die Bebauung nach Norden zur neuen Freiestrasse entwickelt. In der Tiefe der Parzellen entstanden Nebenbauten und kleinere Produktionsbetriebe die über Höfe von der Florastrasse her erschlossen waren.
Die Gebäude entlang stehen mal traufständig, mal giebelständig zur Strasse. Immer haben sie die symmetrisch gestalteten Hauptfassaden zur Strasse. Sie sind ausnahmslos verputzt. Das für die Region typische Sichtmauerwerk mit dem hellen, gelblichen Backstein wurde für Nebenbauten verwendet. Ob das Sichtbacksteingebäude der Dorfbadi mit seiner Architektursprache der 1960er-Jahre sich kontextuell auf die historischen Sichtsteinbauten bezieht, müsste vertieft untersucht werden.
Projekt
Die Themen des Entwurfs wurden aus der vorgefundenen Situation abgeleitet: Die volumetrische Einordnung und Präsenz des Gebäudes zur Florastrasse hin, der sich in die Tiefe entwickelnde Hofraum, der begrünte Zwischenraum zum westlichen Nachbargebäude und der Umgang mit dem «Zürcher Untergeschoss».
Die Strassenfassade ist mittels unterschiedlichen Fensterformaten in Sockel, zwei Vollgeschosse und Dachgeschoss gegliedert und überspielt so die Dreigeschossigkeit. Die Symmetrie unterstreicht die Ausrichtung auf die Florastrasse. Mit den schmalen Badezimmerfenster wird eine zweite Lesbarkeit angestrebt. Die innere Struktur wird so ablesbar gemacht und die Strassenfassade verbindet sich mit den übrigen Fassaden. Das verhindert, dass die Strassenfassade «aufgesetzt» wirkt.
Die Erschliessung erfolgt über den Hofraum. Der Hauseingang liegt auf der Höhe des Eingangs vom Nachbargebäude. Mit dem Velohaus und den Hofumfassungen wird ebenfalls Bezug auf die Typologielesung des Orts genommen.
Die bekannten negativen Auswirkungen des «Zürcher Untergeschosses» wurden verhindert: bei der Strassenfassade durch die Sockelfenster. Die Maisonettewohnungen im hinteren Bereich vermitteln mit einem überhohen Raum zwischen dem Erdgeschossniveau und dem gewachsenen Terrain des Hofs. Auf der Westseite wird durch das Verschieben des vorhandenen Terrainsprungs das Gebäude in die Topographie eingebettet. Die schrägen erkerartigen Vorbauten gliedern das lange Volumen, verhindern eine viergeschossige Erscheinung im Bereich des Attikas und ermöglichen den Zwischenraum in seiner Länge wahrzunehmen. Zudem kann so lärmabgewandt gelüftet werden. Diagonale Sichtbeziehung und hochformatige Lochfenster sind die Antwort auf das parallel verlaufende Nachbargebäude mit Bandfenster. So soll für die Bewohner beider Gebäude eine gewisse Privatheit gewahrt werden.
Bei der Strassenfassade wurden die Fensterproportionen überarbeitet und ein innerer Sturz eingeführt. Die Lochfenster sind so optimal in der Fassadenfläche eingebettet und haben ausreichend Abstand zum Dachrand. Das Attika-Fenster erhielt ein eigenständige neue Form. Zudem wurde auf dem ersten Vollgeschoss auch ein Badfenster eingefügt. Die Dachabschlüsse sind in Kunststein ausgeführt und integrieren zugleich die Notüberläufe. Auf eine Differenzierung der Atelierfenster im ersten Vollgeschoss wurde zugunsten einer einheitlichen Erscheinung verzichtet.
Freiraum (Rita Illien)
Die Freiraumgestaltung des Ersatzneubaus macht den Namen und den grünen Charakter der Florastrasse zum Programm. Nicht nur zur Strasse hin, sondern auf drei Seiten ist das Gebäude künftig in üppiges, blühendes Grün gekleidet. Diese transparente vegetative Einfassung schafft nach innen Atmosphäre, ein gutes Mikroklima und ergänzt die Wohnungen um einen wertvollen Garten auf kleinem Raum. Sie strahlt aber auch positiv auf die Nachbarschaft und den Strassenraum aus. Möglich wird das auf dieser schmalen Parzelle vor allem dank einer klaren Gliederung des Freiraums:
Auf der Ostseite des Neubaus liegt der Eingangshof. Er erfüllt nicht nur effizient alle nötigen Erschliessungsfunktionen, sondern bietet sich mit seiner Gestaltung auch als einladendes Entrée, Begegnungszone und als Spielfläche an. Ein feingliedriger japanischer Kuchenbaum im Asphalt markiert den Zugang an der Strasse und schützt zugleich den Hof dahinter. Während im vorderen Bereich die Tiefgaragenzufahrt und die Gebäudezugänge liegen, ist der geschützte hintere Hofbereich dem Spiel und Aufenthalt gewidmet. Zwei Spitzahorne stehen hier im Kies der Spielfläche, gliedern und beschatten den Raum. Auch die Veloständer finden hier einen angemessenen Platz. Hinter dem Gebäude ergänzt eine Rasenfläche den Spielbereich. Eine kleine Sammlung verschiedener Ahorne bietet hier Schatten und setzt im Herbst kräftige Farbakzente mit Fernwirkung.
An die Rasenfläche schliesst nahtlos die grüne Spange des Gartens an, die sich von hier rund um das Gebäude bis zur Strasse zieht: Die ruhigen Wohnungsterrassen aus Betonplatten liegen inmitten des Blüten- und Blättermeers einer blühenden Staudenfläche. Die Pflanzenwahl sorgt über die ganze Vegetationszeit für Blütenpracht, eingestreute Gräser und Farne geben der Pflanzung Struktur. Blütensträucher wie Flieder, Schneeball und Holunder gliedern die Fläche, stärken ihre Raumwirkung und bilden die Fassung des Gartens. Ergänzt werden sie um neue Bäume. Diese haben dank ihrer Platzierung im nicht unterbauten Raum das Wachstumspotenzial, die entfallenden Bestandsbäume bald zu ersetzen. Der bestehende Ahorn an der Strasse bleibt erhalten. In ihrer Gesamtheit werden die Neupflanzungen die ausfallenden Bäume durch ein grösseres und vielfältigeres Gehölzvolumen gut kompensieren.
Das Projekt von moos giuliani herrmann architekten wurde für den Swiss Arc Award 2025 eingereicht und von Elisa Schreiner publiziert.