Wohnanlage Arthron

 
50968 Köln-Bayenthal,
Deutschland

Veröffentlicht am 30. April 2020
Manuel Herz Architects

Wohnanlage Arthron, Köln Hofansicht von Südosten Eingangsveranda des Townhouse von Nordwest Dachgeschosswohnung an der Ecke Cäsarstrasse/Bernhardstrasse Der mintfarbene Farbton der Tiefgarage steht im Farbkreis genau dem Bordeauxrot  der Treppenhausgeländer gegenüber. Treppenhaus Bernhardstrasse. Das Bordeauxrot der geschlossenen Treppenhausgeländer kontrastiert mit den silbernfarben angelegten Sichtbetonflächen.

Projektdaten

Basisdaten

Projektkategorie
Fertigstellung
01.2017

Gebäudedaten nach SIA 416

Stockwerke
3 bis 5
Anzahl Kellergeschosse
1
Anzahl Wohnungen
19
Geschossfläche
2980 m²
Gebäudevolumen
9950 m³

Beschreibung

Zäsur an der Cäsarstrasse

Im zentrumsnahen Kölner Stadtteil Bayenthal hat der Basler Architekt Manuel Herz eine Wohnanlage geschaffen, die den stark heterogenen Charakter des Viertels architektonisch adaptiert: Die 19 Eigentumswohnungen sind alle total verschieden.

«Köln Bayenthal ist von einer eigenartigen Charakterlosigkeit geprägt», urteilt Manuel Herz, in Basel praktizierender Architekt und Professor für Urban Studies an der ältesten Schweizer Universität. Sofort schränkt er ein: «Das klingt so negativ, meint aber vielmehr einen Stadtteil im Umbruch, einen, der gerade im ‹Werden› ist.»
Bayenthal schliesst sich im Süden unmittelbar an das Kölner Stadtzentrum an. In dem einst von Kleingewerbe geprägten Stadtteil findet sich ein Nebeneinander von Blockrandbebauung, Hinterhöfen, solitären Villen und Doppelhäusern, bis zu 30-stöckigen Hochhäusern. Die Vorstudien des Architekten und Stadtplaners zu diesem Projekt ergaben, dass das Baugrundstück exakt auf der Scheidelinie zwischen urbaner Blockrandbebauung und den von Vorgärten geprägten, freistehenden Häusern der suburbanen Bereiche liegt.
So findet sich nach Norden hin an der von Ost nach West verlaufenden Cäsarstrasse eine dreigeschossige Blockrandbebauung, während die darin einmündende, westlich gelegene Bernhardstrasse schon von dem Grün der Vorgärten geprägt ist. Diese Zäsur an der Cäsarstrasse machte Herz zu einem Entwurfsthema, die Diversität des Quartiers zum zweiten.

Nah am Trottoir – dann gestaffelt

So führte er entlang der Cäsarstrasse das Gebäude nah an das Trottoir heran, hier folgt es der Bauflucht der Strasse. In der im rechten Winkel dazu verlaufenden Bernhardstrasse beginnt er zunächst mit einem Grünstreifen, dem eine mäandrierende
Gebäudeumhüllung aus loggiaartigen Balkonen folgt. Erst dahinter setzt die Klimahülle des Kernbauwerks an. Die Idee war es, eine gewisse Privatsphäre inmitten der Grossstadt zu erzeugen; Vorgarten und Balkone werden als schützende Lagen begriffen. Unterstützt wird dieser Charakter durch die aus Vertikallamellen bestehenden Metallbrüstungen der Balkone. Ähnlich wie Fensterjalousien sind diese innerhalb einer Balkoneinheit synchronisiert und können individuell von blickdicht bis durchscheinend verstellt werden.
Bei der «Arthron» genannten Wohnanlage dominieren zwei Materialien: Sichtbeton und das naturfarbene Holz der Fensterrahmen. Während der Rohbau des Kernbaus sehr zweckmässig aus freistehenden Stützen besteht, ausgesteift von Treppenhauskernen, sind die das Gebäude prägenden Elemente seine mäandrierenden, aber lediglich vorgestellten Balkone. Sie verspringen von ihrer linken zu ihrer rechten Laibung um eine Raumachse und bilden so ein in sich steifes Raumtragwerk. Zusammen mit den immer leicht unterschiedlich gestellten Balkonbrüstungen und dem selten frontal auf die Fassade erfolgenden Blick erhält das Objekt seine vitale Note.

Diverse Bienenwaben

Denn dieser perspektivische Blick schafft vermeintliche Raumdiagonalen, die an Bienenwaben denken lassen. Eine vom Architekten unbeabsichtigte Konnotation, die aber passend erscheint, da hinter jedem Balkon grundsätzlich nur ein Zimmer anschliesst. In dem Gebäudeensemble finden sich 19 teilweise vollkommen unterschiedliche Wohneinheiten, die in ihrer Bandbreite die eingangs beschriebene Heterogenität des Stadtviertels formal abbilden. Es finden sich kleinere 1-Zimmer-Apartments, mittelgrosse Wohnungen, die mal weniger, mal mehr Zimmer enthalten, und grossflächige Lofts. Darüber hinaus bietet der Bau noch zweigeschossige Maisonette-Wohnungen und schliesslich ein freistehendes, zweigeschossiges Townhouse im Garten. Dies besteht aus einem über einen schmalen Graben belichteten Untergeschoss mit den Schlafräumen und einem foyerartigen Erdgeschoss.
Alle Einheiten sind im Untergrund über die Tiefgarage verbunden; vom Hauptgebäude erreicht man sie über die beiden Treppenhäuser, vom Townhouse über eine direkte Verbindungstür. Auffallend ist deren mintfarbene Ton, der ihr eine kühle, technoide Note verleiht. Im Farbkreis steht dieser Ton dem warmen Bordeauxrot der geschlossenen, gerundeten Treppenhäuser gegenüber. Die Sichtbetonflächen der Treppenräume sind silbernfarben angelegt. Bewusst wurde auf technoide Details verzichtet und fliessenden Formen der Vorzug gegeben.

Inspiriert vom Brutalismus der 1960er-Jahre

Formal sieht sich Manuel Herz beim Arthron inspiriert vom Brutalismus der 1960er- und 1970er-Jahre. Zum Entwurfszeitpunkt widmete er seine Forschungen an der Universität Basel kaum dokumentierten Bauten in Nordafrika aus dieser Ära. Das Arthron sieht er als zeitgemässe Interpretation der damaligen Visionen, was für ihn auch die gesellschaftlichen Komponente beinhaltet: Denn obwohl es sich hierbei ausschliesslich um Eigentumswohnungen handelt, will der Architekt eine gesellschaftliche Durchmischung der Bewohnerschaft erreichen – als Äquivalent zur Diversität des Stadtteils Bayenthal.

Text: Robert Mehl

Erstveröffentlichung: Magazin der Schweizer Baudokumentation 2019 - 2

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