Wohnhaus im Dorfkern
,
Schweiz
Veröffentlicht am 05. April 2024
Studio OU GmbH
Teilnahme am Swiss Arc Award 2024
Projektdaten
Gebäudedaten nach SIA 416
Beschreibung
Das Wohnhaus in zweiter Reihe der Hauptstrasse verdichtet die Parzelle in der Ortsbildschutzzone des ländlich geprägten Dorfes Deitingen zu einem prägnanten Ensemble. Der Holzneubau knüpft im Ausdruck bei seinen vernakulären Nachbarn an und setzt gleichzeitig konsequent auf eine ökologisch Bauweise.
Ausgangslage
Die Parzelle in der historischen Weiler-Struktur von Deitingen ist bebaut mit einem hundertjährigen, typisch wasserämtischen Bauernhaus an der Hauptstrasse. Im hinteren Teil des Grundstücks baute sich der Eigentümer, ein heute pensionierter Gartenbauer, vor 15 Jahren ein Wellerlehmhaus. Die beiden Bestandesbauten definieren drei unterschiedlich gestaltete Gärten. Im Fokus der Bauaufgabe standen die Vervollständigung des bestehenden Konglomerats, ein drittes Wohnhaus für ein dichteres Zusammenleben und ein weiterer Garten für eine noch grössere Vielfalt an behaglichen Aussenräumen.
Entwurfsidee
Der zweigeschossige Neubau ist als langgestreckter Baukörper mit azentrischem First zwischen die beiden Bestandsgebäude gesetzt. Zur Hauptstrasse bildet sich ein Vorplatz als Adresse für das Ensemble. Südlich des Lehmhauses entsteht ein neuer Gartenteil, der mit Orangerie und Aussenküche das Nutzungsangebot ergänzt. Form und Dach des Massivholzneubaus nehmen Bezug auf das Bauernhaus, die Ausrichtung und Proportionierung sowie die erlebbare Massivität der Aussenwände setzen ihn in Beziehung zum Lehmhaus.
Die zentrale Setzung auf dem abwechslungsreichen Grundstück führt zu drei unterschiedlichen Wohnungen. Zwei davon sind als Etagenwohnungen übereinander organisiert. Ihre Küchen liegen jeweils an einer der beiden Strassenfronten, was zu unterschiedlichen Raumstrukturen führt. Gemeinsam ist ihnen der starke Bezug zum neuen Garten. Die dritte Wohnung ist als Ateliermaisonette konzipiert. Sie liegt in der Mitte des Grundstücks und ist im Erdgeschoss allseitig von Wegen umgeben. So exponiert das Erdgeschoss ist, so privat ist der darüber liegende Walmdachraum mit Blick über die Gärten. Aus den Wohnungszuschnitten ergeben sich vier differenziert gegliederte Fassaden. So wirkt das Haus zur Strasse und zum Vorplatz flächig und massiv - ähnlich einem mittelalterlichen Bauernhaus. Zu den Gärten zeigt es sich mit grossen Öffnungen und kräftigen Pfeilern. Der vielgestaltige Ausdruck des situativ agierenden Hauses will seiner zentralen Stellung im Konglomerat gerecht werden.
Projektierung
Das Holz in seiner reinen Form als Kantholz oder Brett, als «bois brut», bildet die Grundlage für die atmosphärische Wirkung des Entwurfs. Leimfrei gedübelte Brettsperrholzelemente bilden das konstruktive Grundprinzip und erzeugen zusammen mit den von Hand zusammengefügten Kantholzkonstruktionen den Ausdruck dieses «mehrschichtigen» Massivholzhauses.
Aussen sind die Fichtenvollholzelemente fassadenhoch mit sägerohen Fichtenbrettern verkleidet. Sockel-, Pfeiler- und Sturzbildungen werden durch unterschiedliche Brettstärken und Materialüberstände in Tür- und Fensteröffnungen erzeugt. In diesem Zusammenspiel wirkt die robuste Schalung fast textil und steht in Beziehung zu den detailreichen Lärchenholzfenstern und -türen.
Was das Brett für die Gebäudehülle ist, sind Balken und Stützen für die innere Statik. Ihre maximalen Spannweiten dimensionieren die Wohnräume. Traditionell zusammengefügt, werden sie zu raumbestimmenden Elementen in Form von Wandscheiben, Deckenplatten und Pfetten. Die hellen Fichtenoberflächen unterstreichen die Raumdimensionen, während die Tischlerarbeiten in Esche zusammen mit der Lärchenschalung in den Bädern ein subtiles Wechselspiel der verschiedenen Holzarten und Oberflächenbearbeitungen erzeugen. Neben den haptischen und visuellen Qualitäten sind auch die olfaktorischen Qualitäten der Hölzer deutlich wahrnehmbar.
Besonderheiten
Nachhaltigkeit: Kanthölzer, Bretter und Dübel, die ohne Leim miteinander verbunden und somit wieder voneinander lösbar sind, schaffen ideale Voraussetzungen für die Wiederverwendbarkeit und Weitergabe der Bauteile in der Holzkaskadennutzung. So sind alle haustechnischen Installationen dort sichtbar geführt, wo sie keine wiederverwendbaren Materialien durchdringen. Das verwendete Fichten-, Esche- und Ulmenholz stammt aus den umliegenden Solothurner Wäldern, Lärchenholz aus dem Wallis sowie Fichtenholz aus dem Emmental.
Nachhaltig und ökologisch sind an diesem Ort nicht nur Gebäude und Gärten. Mit dem Neubau ist ein Pilotprojekt im dörflichen Kontext entstanden, bei dem durch ein ausgeklügeltes Mobilitätskonzept nur das Minimumt an Parkplätzen nachgewiesen werden muss. So konnte, obwohl baurechtlich gefordert, auf eine energie- und kostenintensive Tiefgarage oder deren Alternative, einen grossflächigen oberirdischen Parkplatz, verzichtet werden.
Das Projekt von Studio OU wurde im Rahmen des Swiss Arc Award 2024 eingereicht und von Elisa Schreiner publiziert.