Stresstest – Vorschau auf den Deutschen Pavillon auf der Architekturbiennale Venedig

Das kuratorische Team – Foto: Josef Grillmeier
Städte leiden unter dem Klimawandel
Starkregen, Überschwemmungen, Hitzewellen – während sich der Klimawandel weltweit an den steigenden Temperaturen, Extremwetter und dem Anstieg des Meeresspiegels zeigt, sind seine Auswirkungen auf der lokalen Ebene der Stadt unmittelbar spürbar: Urbane Räume leiden unter Hitzestress. Versiegelte Flächen, reflektierende Fassaden sowie eine Mangel an Schatten, Wasser und Grün schaffen Hitzeinseln, die auch nachts nicht mehr abkühlen und regenerieren können. In absehbarer Zeit werden Temperaturen erreicht, die für Menschen, Tiere, Pflanzen und Infrastruktur kaum noch erträglich sind. Dies gefährdet nicht nur das soziale Leben und die Produktivität der Stadt, sondern auch die Gesundheit und das Überleben ihrer Bewohner*innen. Bereits heute ist die Stadtbevölkerung einem erhöhten Risiko für Dehydration und Herz-Kreislauf-Erkrankungen ausgesetzt, die Zahl der Hitzetoten steigt. Eine Situation, die dringend nach einer resilienten Stadtplanung verlangt. Denn ohne effektive Gegenmassnahmen werden einige Städte – auch in Europa – in wenigen Jahrzehnten unbewohnbar sein.
Stresstest im Deutschen Pavillon
Der deutsche Beitrag für die Biennale in Venedig nimmt diese konkrete Bedrohung als Ausgangspunkt: Die Ausstellung «Stresstest» macht die zukünftige Realität des Stadtklimas physisch und psychisch erfahrbar und zeigt eindrücklich, dass Architektur und Landschaftsarchitektur klimagerechte Städte nicht nur schaffen können, sondern müssen.
Die Ausstellung im Deutschen Pavillon ist in zwei Themenbereiche gegliedert: Stress und Destress. In den Stress-Räumen erleben die Besucher*innen die Realität extremer städtischer Hitze hautnah und begreifen die komplexen Zusammenhänge und Auswirkungen der Klimaerwärmung auf unmittelbare Weise. Die Destress-Räume bilden einen spürbaren Kontrast: ein Ort der Erholung – und der Lösungen, bei denen Architektur, Landschaftsarchitektur und Stadtplanung nicht länger als rein funktionale oder gestaltende Disziplinen gedacht werden, sondern Teile eines ganzheitlichen, klimaresilienten Systems sind.

Anomalien in der Oberflächentemperatur am 20. Juli 2022 | Karte: Josef Grillmeier © Stresstest
Datenbasierte und integrative Stadtentwicklung
Für wirksame Anpassungsmassnahmen ist eine präzise Erfassung von Hitzestress essenziell. Stadtmorphologie, Materialität und mikroklimatische Wechselwirkungen beeinflussen die Temperaturentwicklung massgeblich. Mithilfe digitaler Abbilder realer Stadtregionen werden Szenarien zur Klimaentwicklung und deren Auswirkungen auf den urbanen Raum visualisiert. Sie müssen die Grundlage für eine neue und zukunftsfähige Stadtplanung werden, in der Politik und Verwaltung, Industrie und Wirtschaft, Planende und Bürger*innen gemeinsam Strategien für hitzegestresste Städte aushandeln und entwickeln.
Natural, Artificial, Collective
Der Deutsche Beitrag versucht damit möglichst passgenau auf das Überthema der Ausstellung zu antworten. Unter dem Titel «Intelligens. Natural, Artificial, Collective» richtet der diesjährige Biennale-Kurator Carlo Ratti den Blick auf die gebaute Umwelt als die grösste Verursacherin globaler CO₂-Emissionen. Er setzt auf das Zusammenwirken verschiedener Disziplinen – allen voran die Architektur – um substanzielle, schnell umsetzbare und wirksame Lösungen zu entwickeln. Dabei sieht er die Kombination aus natürlichem, künstlichem und kollektivem Wissen als Schlüssel. Ganz in diesem Sinne zeigt Stresstest, dass grüne Infrastrukturen, innovative Technologien und interdisziplinäre Zusammenarbeit die entscheidenden Hebel sind, um Städte widerstandsfähiger, gesünder und lebenswerter zu machen.
La Biennale di Venezia
Deutscher Pavillon auf der 19. Internationalen Architekturausstellung
Zeitraum: 10. Mai – 23. November 2025
Ort: Giardini della Biennale, Venedig