Arc Mag 2025–3/4 macht Lust auf weniger

Veröffentlicht am 30. Juni 2025 von
Jørg Himmelreich

Lust auf weniger

Falls Sie Sou Fujimotos gigantischen Holzring für die Expo in Osaka und den Titel «Lust auf weniger» als widersprüchlich empfinden, dann seien Sie versichert: Diese Kollision ist nicht zufällig. Auf der einen Seite thematisiert die Redaktion mit dieser Ausgabe, wie man den Flächenverbauch in der Architektur verlangsamen kann. Auf der anderen Seite berichten wir von der Biennale in Venedig, der Expo in Osaka und den Designmessen in Mailand und Kopenhagen – Orte an denen für mehrere Tage bis Monate Architektur mit grossen Gesten auftrumpft.

Die Redaktion ist überzeugt, dass «weniger» keine ästhetische oder stilistische Präferenz mehr sein kann; es ist eine Notwendigkeit. In der Schweiz ist der durchschnittliche Wohnraumverbrauch auf über 46 Quadratmeter pro Person angewachsen. Ein Drittel der Haushalte wird nur noch von einer Bewohner*in bewohnt. Singles okkupieren 37 Prozent der Wohnungen und leben häufig auf satten 80 Quadratmetern oder mehr. Gleichzeitig wird Wohnraum knapp und die Mieten steigen. Längst ist klar: Es muss aufhören, dass die Erfolge der Verdichtung von immer mehr Wohnfläche aufgefressen werden. Diese Ausgabe fokussiert daher auf Neubauten, die aufzeigen, dass beim Wohnen klein nicht bloss ökologisch und ökonomisch, sondern auch sexy sein kann. Es wird herausgearbeitet, wie clevere Grundrisse und Schnitte, inspirierende Details und eine durchdachte Materialwahl Lust auf Kompaktheit wecken können – ohne dass auf Komfort und Atmosphäre verzichtet werden müsste.

Auch in Venedig, Osaka und Mailand werden Fragen von weniger oder mehr verhandelt. Auf der Expo Osaka wird über klimaschonendes Bauen nachgedacht, zugleich aber das Prestige eines Landes an der Grösse und dem Aufwand des Pavillons gemessen. In Venedig wird eine schier endlose Masse an Projekten und Vorschlägen für eine nachhaltigere Architektur zusammengepfercht. Diese Events mit globalem Massstab wollen zwar Beiträge zu mehr Nachhaltigkeit liefern, sind aber dennoch vor allem Spektakel, die Aufmerksamkeit erregen wollen und leider mehr vernebeln, als sie zur Klärung beitragen. Dieses Magazin löst die Spannung zwischen Bühne und Strasse, Pavillon und Atelier nicht auf. Es setzt sie in Bezug und bringt sie in Reibung. Zwischen den 28 Millionen erwarteten Besuchenden in Osaka und den 28 Quadratmetern einer kleinen Wohnung bleibt als Frage bestehen: Welche Zukunft bauen wir und was wollen wir wirklich?

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Wir wünschen eine anregende Lektüre!

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