Hochschule Luzern-Musik

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6010 Kriens,
Schweiz

Veröffentlicht am 28. Oktober 2021
Büro Konstrukt AG + Enzmann Fischer Partner AG
Teilnahme am Swiss Arc Award 2022

Eine atriumartige zentrale Erschliessungshalle mit Gemeinschaftszonen bildet das Rückgrat  des klar strukturierten Gebäudes. Der Klinker «kelesto» 24 / 11.5 / 7.1 in lichtgrau wurde in verschiedenen Verbandtechniken eingesetzt. Die unterschiedlichen  Farbtöne sind durch einen sogenannten Buntbrand entstanden. Sowohl die äusseren Wände der Unterrichtsräume als auch die Einbaumöbel sind aus Duripanel-Platten. Die Platten sind bei den Garderoben 19 Millimeter stark und ungeschliffen. Im Frontoffice-Bereich sind sie geschliffen und lasiert. Die Bibliothek ist ein  gut besuchter Ort an der Hochschule. Sie nimmt  einen grossen Teil des überhohen zweiten Obergeschosses ein  und zwei markante Wendeltreppen führen  auf Galerien im dritten Geschoss.

Projektdaten

Basisdaten

Lage des Objektes
Arsenalstrasse 28a, 6010 Kriens, Schweiz
Projektkategorie
Fertigstellung
01.2020

Gebäudedaten nach SIA 416

Stockwerke
6 bis 10
Anzahl Kellergeschosse
2
Geschossfläche
18'000 m²
Gebäudevolumen
78'000 m³
Gebäudekosten (BKP 2)
81,0 Mio. CHF

Beschreibung

Es war das Ziel der Gestalter*innen, eine Architektur zu entwickeln, die wie ein Echo die industrielle Vergangenheit des Areals widerhallen lässt. Während das zentrale Atrium wie eine Werkhalle wirkt, ruft auch die Klinkerfassade Erinnerungen an Industrie- und Infrastrukturbauten hervor.

Ausgangslage

Luzern ist im Wandel: Unter dem Label LuzernSüd hat der Kanton zahlreiche Arealentwicklungen in den Vorortsgemeinden Horw und Kriens angestossen. Ehemals gewerblich und industriell geprägte Flächen werden neuen Nutzungen zugeführt und das städtische Gewebe verdichtet. Die zusammengezählt 1,7 Quadratkilometer grossen Areale liegen verteilt zwischen A2 und Luzerner Allmend. Derzeit präsentieren sie sich dissonant und wirken eher nach Agglo oder nach einer Stadtrückseite – geprägt von Verkehrsinfrastrukturen, gesprenkelt mit Gewerbebauten, Garagen und Tankstellen.

Entwurfsidee

Der Neubau ist ein kompakter Kubus. Nur im Osten und Westen springt er, je nach Lesart leicht vor oder zurück, was ihn länger erscheinen lässt, als er ist. Die Gliederung in zwei Hauptvolumina entspricht dabei jedoch nicht der inneren Organisation. Denn die Architekt*innen haben im tiefen Gebäude fünf funktionale Schichten nebeneinander angeordnet. Zwei Linien aus dienenden Räumen mit WCs, Lichtschächten und Treppenhäusern flankieren die zentrale atriumartige Treppenhalle, welche die gesamte Gebäudelänge und -höhe einnimmt. Sie dienen als akustischer Filter zu den äusseren Raumschichten mit Sälen und zahlreichen Proberäumen.
Die Studierenden erreichen die Schule von der Arsenalstrasse im Osten über eine kurze Rampe und betreten sie durch einen Windfang. Zwischen den Stufen der Kaskadentreppen hindurch sieht man bis zum gegenüberliegenden Eingang im Osten auf alte Bäume und die darüber thronende Silhouette der Rigi. Dieser zweite Zugang liegt eine Etage tiefer, da das Gelände leicht abfällt. Dort – Richtung Allmend – kennzeichnet ein der gesamten rechten Gebäudehälfte vorgelagertes Vordach den Zugang zu den Konzertsälen. Ein sorgfältig gestalteter Kiesplatz mit jungen Bäumen dient als Freiluftfoyer. Diese Funktion nimmt er auch für das benachbarte Kulturhaus Südpol wahr und ist damit das Herz des Kulturwerkplatzes.

Projektierung

Vier Laternen sitzen auf dem Flachdach. Sie lassen über Schächte Licht bis ins Erdgeschoss dringen, sowohl in die zentrale Längshalle als auch in andere benachbarte Räume. Seitliche Verglasungen erlauben zudem vielfältige Durchsichten zwischen den Raumschichten. Im Erdgeschoss können die Schächte wie Höfe betreten werden. Das erlaubt es, in ihnen zu musizieren. Öffnen die Nutzenden die Klappen neben den Fenstern, kann der Klang an verschiedenen Stellen im Gebäude hörbar gemacht werden. Ursprünglich sollten die Schächte auch dazu dienen, das Gebäude nach heissen Tagen in der Nacht auskühlen zu lassen, analog zur Funktion der Badgire genannten Windtürmen in der Westasiatischen Architektur . Davon ist man im Lauf der Projektierung jedoch abgekommen.
Als Hochschule mit rund 500 Studierenden ist das Gebäude sowohl Studien- als auch Aufenthaltsort. Verschiedene Bereiche sind ineinander verwoben: Neben der öffentlichen Längshalle gibt es eine Lounge mit bequemen Sesseln mit 1970er-Jahre-Wohnzimmercharme, die drei erwähnten Musiksäle, eine Bibliothek und natürlich unzählige Übungszimmer. Sie berühren, stören oder befruchten sich gegenseitig – mehr oder weniger räumlich wie akustisch.
Die Akustikplaner von «applied acoustics» aus Gelterkinden haben ihre Expertise bei der Projektentwicklung eingebracht. Sie haben bereits beim Jazzcampus Basel und beim Toni-Areal in Zürich für guten Klang gesorgt. Die tragende massive Betonstruktur hat akustisch eine stabilisierende Wirkung.

Realisierung

Fugenlos armierte, geschlossene Wände wurden mit Passagen im dekorativen, gotischen Verband variiert. Auch wenn die Fassade auf den ersten Blick als komplett von Hand gemauert erscheint: Teile wurden in Elementbauweise ausgeführt. Glatte Flächen wechseln sich mit perforierten Passagen und Lisenen ab. Sehr schön wirkt ein an verschiedenen Stellen eingesetztes Filtermauerwerk: Aus der doppelgeschossigen Bibliothek oder im oberen Teil der verglasten Lounge der Längshalle erlaubt es wunderbare Ausblicke auf die Bäume der Allmend oder den Pilatus. Die West- und Ostfassade haben querformatige Fensteröffnungen und betonen damit die Horizontale. Die Süd- und Nordfassaden hingegen haben schlanke hochrechteckige Fenster und rücken damit die Vertikale ins Zentrum. Zahlreiche Lisenen deuten den statischen Aufbau des Bauwerkes an. Gleichzeitig bekommt die Fassade durch sie eine Leichtigkeit. Vielleicht ist es gewollt, dass der Bau unterschwellig an ein Umspannwerk erinnert? Schliesslich nennen die Architekten die Schule ein «Kraftwerk für Musik».

Besonderheiten

Schallübertragungen zu reduzieren war eine wichtige Variable in der ganzen Planung. Die massive Fassade resultierte ebenso daraus wie die spezielle Lagerungen und Montagen der inneren Verkleidungen. Seien es die Akustikziegel, die in der Blackbox zwischen zusätzlichen rundumlaufenden Betonelementen eingespannt sind, oder die in Baubuche ausgeführten Verkleidung mit tiefen Lamellen des Kammermusiksaals. Ihre Oberflächenbehandlung lässt sie silbergrau schimmern. Versteckt angebrachte Leuchten reflektieren über die Rückwand und tauchen den Saal in ein diffuses Licht.
Fensterrahmen aus gebürstetem Aluminium mit seitlichen, schmalen Lüftungsschlitzen bauen einen Bezug zur Fassade des nebenan liegenden Probehauses des Sinfonieorchesters auf. Mit Einbaumöbeln und Trennwänden aus Holzfaserzementplatten ist die Musikhochschule ganz bewusst eine neutrale Architektur. Als leere Bühne oder als neutrales Blatt Papier sollen die Nutzenden dem Gebäude die fröhlichen Noten selber einschreiben.

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