Mehrfamilienhaus Totoro
,
Schweiz
Veröffentlicht am 07. April 2024
Rossetti + Wyss Architekten AG
Teilnahme am Swiss Arc Award 2024
Projektdaten
Gebäudedaten nach SIA 416
Beschreibung
Das Mehrfamilienhaus ersetzt ein Einfamilienhaus, eine Verdichtung im EFH-Quartier mit angemessener Wohnfläche pro Einheit. Die Wohnungen werden gestapelt, jede zu allen Himmelsrichtungen orientiert und versetzt angeordnet. Für die Materialanwendung wurde Wabi Sabi als Leitsatz verwendet.
Ausgangslage
Das Quartier an und um die Spielmatte ist seit 1985 gewachsen und wird durch eine kleinteilige Siedlungsstruktur mit umfliessendem Grünraum geprägt. Am Rande zur Landwirtschaftszone wird ein Ersatzbau vorgeschlagen, womit das bestehende Einfamilienhaus durch ein kompaktes Dreifamilienhaus ersetzt wird.
Entwurfsidee
Das Projekt ist stellvertretend für eine innere Verdichtung und soziale Rücksichtnahme. Die ehemalige Einfamilienhausparzelle wird durch das Dreifamilienhaus ersetzt. Die Wohnungsgrössen werden gewichtet und auf den Einsatz im Volumen abgestimmt. Totoro, der Waldgeist, behütet die Rohheit und die Haltung: die ersehnte Zurückhaltung mit dem Ansatz, rohe und unvollkommene Materialien subtil zueinander zu stellen und mit Geduld, die Patina abwartend, in den leeren Gefässen mit zu altern, weit entfernt von Hightech und Opulenz. Die Konstruktion ist einfach lesbar, offensichtlich. Die Bewohner*innen vertrauen der Erscheinung, die klaren, reduzierten Formen spielen den Raum frei. Das Haus Totoro verdichtet und verbindet. Die geschossweise auskragenden Vordächer reflektieren Zeit und Kontext, denn die offene, modulierte Topografie ist Wind und Wetter ausgesetzt, sodass die traditionellen Bauernhäuser und Ökonomiebauten im Umland auch stirnseitig geschossweise durch zusätzliche Vordächer geschützt wurden — ortstypisch, markant eine eigene Identität bildend. Das Gebäude ist ortsbezogen eingebettet und dennoch Vorreiter und ein Signal, dass die Verdichtung nicht nur Enge und wenig Umraum bedeuten muss, es kann auch der optimierte Verbrauch von Quadratmetern sein, gerade wenn die innere Leere durch die Bewohner*innen und die Patina geprägt werden. Kargheit lässt Gedanken Raum und hebt sich aus dem Gewohnten ab, gezielt und den Bewohnenden Platz zu schaffen.
Projektierung
Der Neubau umfasst drei Wohnungen, die sich über vier Geschosse erstrecken mit zugehörigen Kellerräumlichkeiten und einer Technikzentrale hangseitig im Untergeschoss, das in Massivbauweise erstellt wurde. Die Wohnungen sind als Maisonette-Wohnungen geplant und wechseln geschossweise die Seite. So ermöglicht die interne Erschliessung eine zentrale Treppenfolge — die Ausrichtung jeder Wohnung in alle vier Himmelsrichtungen. Darüber entwickelt sich der Holzbau über drei Geschosse, die örtlich konstruktionsorientiert in Hybridbauweise mit Beton verbunden wurden. Im Dachgeschoss vermitteln gedrungene Wandscheiben zu den rückspringenden Fassaden und den darübergelegten Unterzügen, die das Dach stemmen. Die Kraftableitung kann vom Rücksprung der Dachgeschossfassaden in die darunterliegenden Stützen des Obergeschosses garantiert werden. Die Fassaden wurden in Holz realisiert, welche unter Berücksichtigung von regelmässigen Abtropf- und Abtrocknungszeiten mit einer Vorvergrauung behandelt wurden. Der wesentliche Schutz der Fassaden wird über die durchgehenden, geschossweise angebrachten Vordächer erreicht. Diese Vordächer erinnern an die stirnseitigen Vordächer traditioneller Bauernhäuser der Umgebung. Es werden rohe und rohbelassene Materialien angewendet, die über die Zeit eine ehrwürdige Alterung und Patina zulassen. Holz, Beton und Glas wechseln sich ab und stimmen sich in eine gewichtete Balance ein.
Realisierung
Nach dem Abbruch des Altbaus wurden das Untergeschoss und die Treppenanlage in Massivbauweise erstellt. Die viergeschossige Treppenanlage wirkte als Raumskulptur in der Umgebung, bis der Holzbau an die bestehende Massivbauweise angeschlossen wurde und so die Erschliessung verinnerlichte. Die Materialien werden roh und rohbelassen eingesetzt, sodass sich eine natürliche Alterung einstellt. Das Innere wird durch rohes Holz geprägt, ein reduzierter Anteil ist in Sichtbeton. Die ausgefachten Trennwände werden in geklammerten Gipsfaserplatten roh belassen. In den Nasszellen kommen Mineralfaserplatten (Aquapanel) roh zum Einsatz, wobei hier die Rückseite verwendet wird. Es resultiert eine Oberfläche textiler Anmut. Echt und vertrauenswürdig werden die eingesetzten Materialien präsentiert und lassen keine Vermutung aufkommen. Es ist, was es ist.
Das Projekt von Rossetti + Wyss Architekten wurde im Rahmen des Swiss Arc Award 2024 eingereicht und von Sabrina Hobi publiziert.