Schulhaus Walka Zermatt

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3920 Zermatt,
Schweiz

Veröffentlicht am 31. März 2025
GWJ Architektur AG
Teilnahme am Swiss Arc Award 2025

Blick vom 1. Obergeschoss ins Atrium Schulgebäude mit Pausenhof zum Hang Der Weg zur Schule Südfassade von Südwesten Südfassade von Südosten Blick durch das Atrium auf den Pausenhof Auch die Kleinsten können durch die gläserne Brüstung nach unten sehen. Schulalltag im Klassenzimmer Die transparent einsehbare Bibliothek ist direkt vom Atrium aus zugänglich Eine besondere Herausforderung war das Sprengen, Abtragen und Sichern des Hangs.

Projektdaten

Basisdaten

Lage des Objektes
Metzggasse 14, 3920 Zermatt, Schweiz
Projektkategorie
Fertigstellung
04.2024
Links

Gebäudedaten nach SIA 416

Stockwerke
6 bis 10
Anzahl Kellergeschosse
1
Grundstücksfläche
5898 m²
Geschossfläche
8400 m²
Nutzfläche
7276 m²
Gebäudevolumen
35'800 m³
Gebäudekosten (BKP 2)
40,0 Mio. CHF
Anzahl Schüler
400

Beschreibung

In Zermatt ist eine neue Primar- und Orientierungsschule entstanden. Rund 400 Schülerinnen und Schüler werden in dem lichtdurchfluteten Neubau aus Holz und Glas ihre Schuljahre bis zur sechsten Klasse verbringen. Schule, Turnhalle, Bibliothek und weitere halböffentliche Räume sind bereits in Betrieb.

Architektur im Dialog mit dem Bestand
Der Entwurf stammt von GWJ Architektur aus Bern. Sie übernahmen in ihrer Planung den dreigeteilten Charakter der bestehenden Schulgebäude aus den Jahren 1958 bis 1972. Auch der Neubau besteht aus drei gestaffelten und ineinander verschobenen Baukörpern. Obwohl die charakteristischen Satteldächer der alten Gebäude entfallen, bleibt die Massstäblichkeit der ursprünglichen Chalets als wiedererkennbares architektonisches Motiv erhalten. Die drei Baukörper fügen sich durch eine Abtreppung am Hang in die vorhandene Topografie ein und nehmen Bezug auf die umliegende Bebauung. Trotz des identischen Gebäude-Footprints musste ein weiterer Teil des Hangs gesprengt und entfernt werden – eine erhebliche konstruktive und logistische Herausforderung. Denn am Fuss des Matterhorns herrschen extreme Bedingungen: Zermatt liegt auf rund 1'600 Höhenmetern und ist das höchstgelegene Sommerskigebiet der Schweiz. Während eines Grossteils des Jahres liegt Schnee. Die touristisch stark frequentierte Region mit über zwei Millionen Besuchern jährlich stellt besondere Anforderungen an Infrastruktur und Bauabläufe. Zudem ist das gesamte Dorf autofrei und nur mit speziellen Elektrofahrzeugen befahrbar. Die Schule selbst befindet sich am Südhang, am Rand der historischen Bebauung – gewissermassen in zweiter Reihe.

Bauablauf unter komplexen Rahmenbedingungen
Nicht nur die klimatischen Bedingungen schränken das Zeitfenster für Bautätigkeiten ein – auch die touristischen Hauptsaisons und der laufende Schulbetrieb erforderten eine präzise Planung. Die ausgeprägte Hanglage verlangte zusätzliches, mitunter lärmintensives Gerät, und erschwerte den Abtransport von Abbruch- und Aushubmaterial durch das enge Dorfzentrum. GWJ Architektur begegnete diesen Herausforderungen mit einer in zwei Bauabschnitte gegliederten Struktur. Diese ermöglichte ein zeitversetztes Bauen bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung des Schulbetriebs. Die Kinder konnten jeweils im bestehenden oder bereits fertiggestellten Gebäudeteil unterrichtet werden. So liess sich der Bauablauf seit Beginn des Rückbaus im April 2021 exakt auf die knappen Baufenster abstimmen. Ein weiterer Vorteil: Der Verzicht auf kostenintensive Provisorien.

Gestalterische Haltung: Respekt vor Ort und Kontext
Die neue Schule reagiert sensibel auf den Ort. Der Hang bildet die Rückwand des Gebäudes. Die beiden unteren Volumen lösen sich von der Felswand ab und schaffen dadurch nicht einsehbare Aussenräume zur Hangseite. Aus unterschiedlichen Blickwinkeln und Höhen zeigt sich das Gebäude dem Dorf, seine Gliederung unterstützt die Einbettung in das gewachsene Umfeld. Die Fassade ist geprägt durch vertikale Holzlamellen und horizontale Bänder, die das Volumen wohltuend gliedern. Während die seitlichen Fassaden weitgehend geschlossen sind, öffnen sich die südorientierten Fassaden grosszügig verglast zur Sonne. Dieses Wechselspiel aus offenen und geschlossenen Flächen verweist auf die traditionelle Bauweise der Region und interpretiert sie zeitgemäss. Auch die leicht gespreizten Ecken erinnern an klassische Strickhäuser. Obwohl die drei Baukörper von aussen wie drei- bis fünfgeschossige Gebäude erscheinen, erstreckt sich der Neubau von einem Untergeschoss im Osten bis zum höchsten Punkt im Westen über insgesamt sieben Geschosse. Durch diese vertikale Organisation konnten zusätzliche Flächen gewonnen und neue räumliche Qualitäten geschaffen werden, ohne den Massstab des Dorfes zu sprengen. Drei Wege führen durch das gewachsene Dorf zu den beiden Eingängen im Osten am Kirchplatz und weiter oben zur Kita im Westen.

Rund ums Atrium: Ein offenes und transparentes Gemeindezentrum
Das Atrium im mittleren Bau ist der Dreh- und Angelpunkt und das gemeinsame Zentrum. Es übernimmt mehrere Funktionen, vergleichbar mit einem Dorfplatz: Es ist Ankunftsort, Orientierungspunkt, Eingangshalle und Pausenraum zugleich – ein Aufenthalts- und Begegnungsraum für alle. Von hier aus können sich die Kinder gut orientieren und bis hinauf in die obersten, nach innen verglasten und damit transparenten Etagen blicken. Die Brüstungen der Galerien sind so gestaltet, dass auch die Kleinsten durch einen tieferliegenden Glaseinsatz auf Augenhöhe nach unten schauen können. Blickbeziehungen ergeben sich wie von selbst. Eine weitere zentrale Funktion des Atriums ist die Lichtverteilung: Da es sich über alle fünf Etagen erstreckt, gelangt viel Tageslicht bis tief ins Gebäudeinnere. Die oberen beiden Geschosse sind nach Norden und Osten geöffnet, sodass auch die hangseitigen Räume mit natürlichem Licht versorgt werden. Direkt an das Atrium angrenzend befinden sich der Speisesaal, die Bibliothek und multifunktionale Sitzungszimmer, die teilweise öffentlich zugänglich sind. Damit steht die Schule auch der Bevölkerung offen und kann als eine Art Gemeindezentrum genutzt werden. Der Speisesaal bietet nicht nur Platz für den Mittagstisch, sondern auch für Veranstaltungen, Versammlungen und als Theaterraum für bis zu 150 Personen. Bei Bedarf können Schwingtüren zum Atrium geöffnet werden. Auch die holzverkleidete Einfachturnhalle im Untergeschoss wird abends von lokalen Vereinen genutzt.

Das Farbkonzept: Die Kinder dürfen übernehmen
Die insgesamt 22 Klassenzimmer für den regulären Unterricht in den oberen Geschossen sind vor allem nach Süden ausgerichtet – zur Sonne hin und mit Blick ins Tal. Zum Hang oder innen liegende Räume erhalten natürliches Licht über das Atrium oder über Oberlichter. Der Neubau setzt die pädagogischen Ansprüche eines zeitgemässen, «zermatter» Schulbetriebs um und berücksichtigt zugleich die Anforderungen einer gemischten schulischen und ausserschulischen Nutzung. Separate Supporträume ermöglichen eine flexible Nutzung, die den Unterricht ergänzt. Alle Innenräume – Flure, Vorzonen, Nischen und die offenen Treppenhäuser – sind in zwei zurückhaltenden, landschaftlich inspirierten Farbtönen gehalten: warmes Holz und kühles Mineral. Während mineralische Oberflächen vorwiegend aus Beton bestehen, zieht sich das Holz als Füllelement durch das gesamte Fügungsprinzip. Es überspannt Räume, trennt und verbindet – etwa in den Garderoben oder in Rückzugsnischen. Diese reduzierte, aber charaktervolle Grundstimmung durchzieht das gesamte Gebäude und lädt ein, durch das bunte Leben der Kinder ergänzt und weitergestaltet zu werden.

Das Projekt von GWJ Architektur wurde im Rahmen des Swiss Arc Award 2025 eingereicht und von Sabrina Hobi publiziert.

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