
Umbau und Instandsetzung Cabaret Voltaire
,
Schweiz
Veröffentlicht am 10. April 2024
raumfalter Architekten GmbH
Teilnahme am Swiss Arc Award 2024
Projektdaten
Basisdaten
Gebäudedaten nach SIA 416
Beschreibung
Bei der Instandsetzung des Cabaret Voltaire wurde mittels einer «kontrollierten Bricolage» auf das vorgefundene «Patchwork» der wechselvollen Geschichte des Gebäudes reagiert. Ziel war ein heterogenes, in sich zusammenhängendes Raumgefüge, welches flexibel auf das Betriebsprogramm reagieren kann.
Ausgangslage
Die Kulturinstitution Cabaret Voltaire ist Mieterin und nutzt die Räumlichkeiten im Unter- und Erdgeschoss der Liegenschaft «Spiegelgasse 1» im Zürcher Niederdorf. Der Hausteil mit der Gastro- und Theaternutzung wies verschiedene bau- und bewilligungstechnische Mängel auf, die einen weiteren Betrieb fundamental in Frage stellte. Nüchtern betrachtet bestand die Aufgabe in der Wiederherstellung und Verbesserung der Gebrauchstauglichkeit dieser Kultur- und Gewerberäume, um deren problemloser und bewilligungsfähiger Betrieb für die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre zu garantieren.
Entwurfsidee
Die Instandsetzung musste viel leisten. Bausubstanz, Haustechnik, Veranstaltungstechnik und Gastronomie waren zu modernisieren. Der künstlerische Betrieb brauchte mehr Spielraum für seine Weiterentwicklung, mehr Sichtbarkeit und eine flexiblere Nutzung. Das denkmalpflegerische Umfeld des Altstadthauses aus dem 16. Jahrhundert war anspruchsvoll, das erinnerungskulturelle Erbe der Geburtsstätte des Dadaismus bedeutend.
Als architektonische Idee und als Verbindungselement wurde die Treppenanlage neu im gefühlten Zentrum des sich in die Tiefe entwickelnden Raumgefüges angelegt. Das Ensemble wurde damit entflochten und die einzelnen Räume – Ausstellung, Künstler*innenkneipe, Saal und Bibliothek – wurden neu angeordnet und zugleich organisch verbunden. Ausserdem wurde dem Cabaret Voltaire eine Ästhetik verliehen die zugleich roh, robust und direkt ist und auf die Vergangenheit Bezug nimmt. Der Zustand vor der Instandsetzung war ein «Patchwork» aus zahlreichen Umbauten. Dies wurde bei der Instandsetzung aufgegriffen und zu einem neuen stimmigen Ensemble weiterentwickelt. Auf der Nutzungsebene wurde so eingegriffen, dass durch eine gezielte Rochade die Adressierung und Sichtbarkeit des Cabaret Voltaire verstärkt wurde. Die Künstler*innenkneipe befindet sich neu im Eingangsbereich zur Münstergasse hin. Die Bibliothek hingegen wanderte ins ruhigere Obergeschoss.
Projektierung
Der Umgang mit dem denkmalgeschützten Gebäude drückt sich auch bei der Wahl der Oberflächen aus. Altes und Neues greift ineinander. Die Materialien fügen sich zu einer Collage von alten Versatzstücken und rohem Mauerwerk, bearbeitetem und rohem Beton, Kalksandstein, wertigem Holz, rohem Metall, und Kalkputz. Da von der Ausstattung der Dada-Bewegung kaum etwas erhalten war, kam der Farbwahl eine besondere Bedeutung zu. Die Wände und Böden wurden in ihrer Rohheit belassen. Die Decken jedoch wurden alle (ausser im Gewölbekeller) in einem dunklen Indigoblau gefasst und nehmen bewusst Bezug auf die Dada-Zeit. Überliefert ist, dass die Räume 1916 schwarz und blau gestrichen waren. Zudem war die Idee mit den indigoblau gefärbten Decken, die in ihren Dimensionen und Proportionen stark unterschiedlichen Räume zu verbinden.
Die gewünschte betriebliche Flexibilität wurde auch durch mehr gastronomische Infrastrukturen ermöglicht. Der Saal hat eine verschiebbare Bar erhalten und in der Bibliothek können dank einer in einem schliessbaren Schrank eingebauten kleinen Küche auch Caterings durchgeführt werden.
Der allgemeinen Idee der Öffnung folgt auch die Ertüchtigung des Untergeschosses im Gewölbekeller. Dieser ist heute klimatisiert, gesichert und technisch besser ausgestattet, was eine Zusammenarbeit mit dem Kunsthaus Zürich und dessen wertvollen Dada-Sammlung erlaubt.
Besonderheiten
Für die Projektierung und Umsetzung speziell war der hohe Kosten- und Termindruck. Das Cabaret Voltaire konnte aus wirtschaftlichen Gründen nur eine kurze Zeit ortsunabhängig mit einem Ersatzprogramm unterwegs sein. Also musste vor allem die Bauzeit, trotz dem üblichen Risiko des Unvorhersehbaren bei Umbauten, möglichst kurz sein. Diesem Umstand wurde mit einer disziplinierten rollenden Planung & Umsetzung - Hand in Hand mit den Vertretern der Stadt, den Behörden und vor allem auch mit den Nutzern des Cabaret Voltaire – Rechnung getragen.
Eine Hauptaufgabe der Instandsetzung war die zahlreichen bau- und bewilligungstechnischen Mängel, die den Weiterbetrieb gefährdeten, zu beheben. Beispielsweise vertrug sich die Feuchtigkeit nicht mit dem Ausstellungsbetrieb. Die Lüftung war bisher lediglich auf 60 bis 70 Personen ausgerichtet, nicht auf die realistischen 200. Wegen Platzmangels wurde sie spezialgefertigt, in drei Einheiten unterteilt und geschickt in den Einbauten versteckt. Jene unter der neuen Treppenanlage übernimmt auch die Teilklimatisierung des Gewölbekellers. Das ganze System funktioniert als umgekehrtes Kaskadensystem, wo die Frischluft auf ausgeklügelte Weise durch die verschiedenen Räume von unten nach oben und schlussendlich über den Hinterhof über Dach gesogen wird.
Wenig Spielraum bestand bei der energetischen Ertüchtigung (keine Fernwärme, Wärmepumpe oder zusätzliche Gebäudehülle). Im Gewölbekeller wurde zumindest der durch vorgängige Umbauten bauphysikalisch falsche Putz (hermetisch abschliessend) durch einen neuen feuchtigkeitsregulierenden Restaurierungsputz auf kalkbasis ersetzt.
Die Keramikplatten in den neuen sanitären Anlagen wurden von der Manufaktur der Firma Ganz Baukeramik AG aus Embrach extra für das Projekt spezialgefertigt.
Das Projekt von Raumfalter Architekten wurde im Rahmen des Swiss Arc Award 2024 eingereicht und von Valentin Oppliger publiziert.