Bedeutungsträger am Salone del Mobile
Design – das Bedeutung vermittelt – muss nicht laut sprechen. Oft entsteht Wirkung dort, wo Objekte Geschichten andeuten, statt sie komplett zu erzählen. Auf der Milan Design Week war genau das zu beobachten: Gestaltung, die nicht über Form oder Funktion spricht, sondern über das, was sie mitträgt – kulturell, sozial und atmosphärisch.
Ein präzises Beispiel dafür war die diesjährige Installation von Hermès, gezeigt im ikonischen Veranstaltungsort La Pelota. Die Räume waren klar gegliedert, ruhig inszeniert, fast museal im Aufbau. Zu sehen waren Objekte aus Leder, Keramik und Metall, hergestellt in handwerklicher Präzision. Es ging nicht um Produktneuheiten, sondern um die Beziehung zwischen Material und Technik, zwischen Geste und Bedeutung. Jeder Gegenstand erzählte über das, woraus er gemacht war und worauf er verweist. In einer anderen Sprache, aber mit ähnlichem Anspruch, inszenierte Miu Miu den «Literary Club». Statt einer Produktpräsentation entstand ein Ort für Sprache, an dem Autor*innen wie Ottessa Moshfegh oder Natasha Stagg über Text, Körper und Identität sprachen. Der Raum selbst war weich und schützend. Die Einrichtung und das Design waren Mittel zur Schaffung von Atmosphäre, nicht Botschaft. Was zählte, waren der Austausch und das Setting.
Ein anderer Zugang zur Erzählung zeigte sich bei Marimekko, wo Designerin und Food-Künstlerin Laila Gohar mit der Installation «The Things We Do In Bed» den Alltag als Bühne nutzte. Das Setting war unaufgeregt, aber präzise gestaltet: ein langer, stoffbespannter Raum, in dem Kulinarik, Performance und textile Gestaltung ineinandergreifen. Im Fokus standen nicht einzelne Objekte, viel entscheidender war das Erlebnis – ein Spannungsfeld zwischen Intimität und Präsenz, zwischen alltäglichen Momenten und ritueller Aufladung. Die Botschaft lag auch hier nicht offen zutage. Sie entfaltete sich durch Materialien, Gesten und Abläufe, wirkte leise, doch mit eindringlicher Kraft. Einen stärker formalen, aber ebenso erzählerischen Zugang wählte Oluce mit der Leuchte «Dancing Glass» von Victor Vasilev. Gezeigt auf der Euroluce und im Salvioni-Showroom, war das Objekt mehr als eine Lichtquelle. Die Leuchte spielt mit Unregelmässigkeiten, Spiegelungen und Durchblicken. Die Lichtquelle bleibt verborgen in der Konstruktion, während sich die Wirkung in Reflexen und Schatten entfaltet. Die Leuchte erzählt nicht durch Funktion, sondern durch Präsenz. Jeweils vertreten in diesen Arbeiten ist die Zurücknahme der Form zugunsten von Inhalt. Gestaltung wird nicht erklärt, sondern erfahrbar gemacht.
Weitere Artikel zu der Designmesse gibts unter den Themen: Bewegliche Zustände, Räume des Übergangs und verborgene Schichten.