Arc Award 22: Typologien – Interview mit der Jury

Veröffentlicht am 12. Dezember 2022 von
Jørg Himmelreich

Architekt Armin Baumann zeigte Dominique Salathé, Ludovica Molo und Vincent Mas Durbec das ETH-Forschungsgebäude GLC in Zürich von Boltshauser Architekten.

Architekt Armin Baumann zeigte Dominique Salathé, Ludovica Molo und Vincent Mas Durbec das ETH-Forschungsgebäude GLC in Zürich von Boltshauser Architekten.

Architekt Armin Baumann zeigte Dominique Salathé, Ludovica Molo und Vincent Mas Durbec das ETH-Forschungsgebäude GLC in Zürich von Boltshauser Architekten.

Ihr habt eine umfassende Shortlist erstellt und auf der Juryreise viele Bauten angeschaut. War die Qualität der für den Arc Award eingereichten Bauten höher als in anderen Jahren?

Grundsätzlich haben wir uns über das konstant hohe Niveau der Baukultur in der Schweiz gefreut. Für die Shortlist und die nachfolgende Besichtigung haben wir uns natürlich – ausgehend von der grossen Auswahl – die Perlen ausgesucht. Beim Durchfahren der Schweiz sieht man aber auch alles andere und realisiert: Es gibt für die Planung und Architektur noch einiges zu tun. Eindrücklich war auch die Menge an Baustellen; es wird unglaublich viel gebaut. Leider fehlten aber auch einige spannende neue Bauten. Sie sind nicht eingereicht worden, was schade ist.

Habt ihr neue Tendenzen in der Schweizer Architektur ausmachen können?

Die Erkenntnis, dass wir verantwortungsvoller mit Ressourcen umgehen müssen, scheint sich langsam durchzusetzen. Neue Materialien, aber auch ein lustvoller Umgang mit dem Bestand zeigen einen Paradigmenwechsel. Es gibt aber noch sehr viel zu tun. Erstaunt hat mich zum Beispiel, dass ein innovativer Umgang mit Fotovoltaik noch fast völlig fehlt. Wir haben auch festgestellt, dass gewisse Themen, wie zum Beispiel der Wohnungsbau, sehr stark von regionalen Diskursen geprägt sind: In der französischsprachigen Schweiz wird anders gebaut als in der Deutschschweiz oder im Tessin. Diese Differenzen finden wir bemerkenswert. Sie sind aber auch wohltuend und machen einen gewissen kulturellen Reichtum der Schweiz aus.

Welche Aufgaben müssen in der nahen Zukunft intensiver angegangen werden?

Wir Architekturschaffenden müssen uns noch viel offensiver mit den dringlichen Fragen unserer Zeit auseinandersetzen. Klimaneutrales Bauen muss selbstverständlich werden; der ganze Lebenszyklus eines Gebäudes muss mitgedacht werden. Zudem bin ich der Meinung, dass das Bauen im Bestand noch viel mehr thematisiert werden muss. Wir müssen den Bestand als Rohstofflager oder noch besser als Grundlage zum Weiterbauen begreifen. Das bedingt ein Umdenken. Umbauen und Weiterbauen müssen zur Regel werden. Und generell sollte sich branchenweit die Haltung durchsetzen, dass weniger häufig mehr ist.

Typologisch fordern uns die zunehmend unter Druck stehenden Lebensräume. Die Verdichtung wird vor allem in den urbanen Räumen spürbar; der Druck auf die Aussenräume nimmt zu. Die Suche nach neuen, kollektiv nutzbaren Räumen wird dringlich. Wir müssen innovative Nutzungsformen denken und räumlich umsetzen. Die Arbeit wird uns nicht ausgehen!

Dominique Salathé (Jurypräsident)

ist Inhaber des Architekturbüros Salathé Architekten Basel. Seit 2004 ist er Professor am Institut Architektur an der FHNW und lehrte als Gastdozent an der ETH Lausanne. Schweizweit ist er zudem als Experte und Fachjuror tätig.

Ludovica Molo

ist Direktorin des i2a istituto internazionale di architettura in Vico Morcote und als freischaffende Architektin in Lugano tätig.

Inès Lamunière

ist seit 2006 Co-Direktorin des Architekturbüros dl-a, designlab-architecture in Genf. Sie trägt den Swiss Grand Award for Art / Prix Meret Oppenheim. Inès Lamuniere war an der Auswahl der Shortlist der Typologien für den Arc Award 2022 beteiligt.

Vincent Mas Durbec

leitet seit 2015 gemeinsam mit Inès Lamunière das in Genf beheimatete Architekturbüro dl-a, designlab-architecture. Er engagiert sich in verschiedenen Verbänden wie dem groupement professionnel des architectes de suisse occidentale (GPA) und dem commission des concours et des appels d’offres (CCAO). Er nahm an der Juryreise teil und wählte gemeinsam mit Dominique Salathé und Ludovica Molo die Siegerprojekte aus.

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