Information statt Werbung

 

Szene

Veröffentlicht am 11. November 2020 von
Dora Horvath

Die Schweizer Baudokumentation hat es sich zur Aufgabe gemacht, durch ihr Informationsangebot der «Matchmaker» in der Baubranche zu sein. Seit 90 Jahren versteht sie sich als Mittlerin zwischen Herstellern und Architekten. Regelmässig wird erhoben, welche Informationen für Architekten in der Planung notwendig sind.

Jeden zweiten Tag nahmen die Architekten die Ordner der Schweizer Baudokumentation in die Hand. Im Gegensatz zu üblichen Werbeprospekten boten sie eine architektengerechte Aufarbeitung der Informationen.
Karikatur

«Achtung: wichtig!», so übertitelte das Docu Bulletin im Oktober 1972 in seiner prominent auf Seite 2 platzierten Rubrik «Telex» eine Kurznotiz, die eine gesamtschweizerisch durchgeführte Befragung von über 10'000 Bauschaffenden, Produzenten und Vertreterfirmen ankündigt. Durch eine grosse Markterhebung wollte man erfahren, ob die Produktinformationen von Baumittelherstellern generell ihre Zielgruppe – Architekten und Planer – erreichen. Zusätzlich sollten die Leistungen der Baudokumentation bewertet werden. Als Bindeglied zwischen Herstellern und Architekten führt die Schweizer Baudokumentation bis heute immer wieder Markterhebungen durch. Beispielsweise wurden letztes Jahr die beliebtesten Bauprodukte der Architekten, die «Architect’s Darling» erhoben. Damals wie heute geht es darum, Architekten mit relevanten Produktinformationen zu versorgen. Lange bevor der Begriff «Content Marketing» aufkam, hat das Unternehmen erkannt, dass nur ein Angebot, das sich an den Bedürfnissen und am Arbeitsalltag der Architekten orientiert, erfolgreich sein kann.

Vermittlerin zwischen Bauproduktherstellern und Architekten

Information statt Werbung – diese Erkenntnis war in den 1970er-Jahren in der Bauindustrie beileibe nicht in allen Köpfen verankert. Das bestätigen die Umfrageergebnisse von 1972: Von einem Informationsnotstand ist bei den Befragten die Rede. Immun gegen werberische Superlative beklagten die Architekten die ungenügend strukturierte Flut an Produktprospekten. Sie wünschten sich von den Firmen verwertbare und vergleichbare technische Daten, insbesondere für die Projektierung und Kostenvoranschläge. Durchschnittlich erhielt ein Architekt Anfang der 1970er-Jahre, so fördert die Umfrage zutage, wöchentlich zwischen 2,7 und 3,5 Kilogramm Werbematerial. Dieses landete zu 75 Prozent im Papierkorb, noch bevor irgendein Entscheidungsträger der Firma es gesichtet hatte. Umso lieber arbeiteten die Architekturbüros mit den strukturierten Produktinformationen der Schweizer Baudokumentation: Die in leisen Tönen gehaltenen Informationen wurden in den roten Produkteordnern der Schweizer Baudokumentation nach Produktgruppen gegliedert eingeordnet. Ein Team von Dokumentalistinnen aktualisierte bei den Abonnenten aus der ganzen Schweiz die Informationen regelmässig und sortierte veraltete Produktinformationen aus. Das Resultat? Die Architekten nahmen die aktuellen Unterlagen in dieser Zeit durchschnittlich jeden zweiten Tag in die Hand. Die Hersteller hatten zwar Verständnis für diese Fakten und das systematisierte Informationsangebot der Schweizer Baudokumentation. Sie befürchteten jedoch, im Nebeneinander mit der Konkurrenz zu verblassen, da sie ihre Sortimentsbreite nicht gebündelt präsentieren konnten. Viel lieber wäre es ihnen gewesen, die Informationen spärlich zu halten. Die Architekten sollten sich zur persönlichen Kontaktaufnahme genötigt sehen. Im persönlichen Gespräch sollten sie als Kunden gewonnen werden. Kein Wunder, bescheinigt die Evaluation der Befragung von 1972 für die Schweizer Baudokumentation trotz sehr guter Noten noch Luft nach oben: «Die echten Bedürfnisse des Zielpublikums (Architekten, Ingenieure, Bauplaner, Bauämter) lassen sich nur schwer mit den Vorstellungen der Produzenten und Lieferanten in Übereinstimmung bringen. Zwar wissen die Produzenten, dass die Architekten praxisgerechte technische Informationen wollen. Trotzdem besteht eine gewisse Abneigung, sogar in einem Werk, das nur für diesen Zweck geschaffen ist (Schweizer Baudokumentation), diese Informationen anzuliefern. Daraus resultiert für die Schweizer Baudokumentation eine gewisse Zwitterstellung, die in Zukunft abgebaut werden muss, indem die Produzenten veranlasst werden, vermehrt auf die Bedürfnisse der Architekten einzugehen.»

Das Dokumentalisten-Team mit den blauen Ordnern für redaktionelle Fachartikel und den roten mit den Produktinformationen. Das 2001 eingestellte Docu Bulletin bot anfangs lediglich eine Übersicht, was in die Ordner ein- und wieder aussortiert werden musste. Mit der Zeit hat es sich zu einer kleinen Zeitschrift entwickelt.
Die Schweizer Baudokumentation wollte die Bauindustrie von der Notwendigkeit überzeugen, ihre Kommunikationsmassnahmen zu optimieren, um Streuverluste zu vermeiden. Im Docu Bulletin von 1973 stellt sie den Produzenten dazu sechs zentrale Fragen und unterbreitet ihnen ein Beratungsangebot.

Die Sprache der Architekten sprechen

Die Quintessenz dieser gross angelegten Befragung hat auch heute nichts an ihrer Gültigkeit verloren. Aus diesem Grund veranlasste die Schweizer Baudokumentation in regelmässigen Abständen Architektenbefragungen, um die Bedürfnisse ihrer Zielgruppe zu erforschen. Damit konnte sie beispielsweise ihre Produktbereiche laufend erweitern und auch die Informationsdichte der Abbildungen und Zeichnungen optimieren. Es sei eben wichtig, die Sprache der Architekten zu sprechen, schreibt sie im Docu Bulletin Anfang der 1980er-Jahre. Und das ist heute genauso aktuell wie damals.

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