Fondazione Prada

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20139 Milano,
Italien

Veröffentlicht am 13. September 2019
Herzog & de Meuron Basel Ltd.

Art Center der Fondazione Prada Der ursprüngliche Zugang beim Verwaltungs- und jetzigem Bürogebäude wurde zum Haupteingang umfunktioniert. Er eröffnet  den Blick über die gesamte Tiefe des  Areals bis zum Torre. Die Bodenoberfläche der  zentralen Piazza besteht  aus Porphyr- und Hirnholz-Kopfsteinpflaster. Letzteres  wurde im Innen- wie im  Aussenraum eingesetzt. Die ausgebildete Fuge zwischen den Bauteilen  lässt den geschlossenen Museumsraum förmlich schweben. Sie erzeugt räumlich Spannung und  wirkt dadurch nicht einfach auf den Bestand aufgesetzt. Der marmorweisse Torre ist  als architektonische Skulptur von weitem sichtbar und  weist den Weg zur Fondazione Prada. Der Materialmix ist gekonnt inszeniert, die Anschlussdetails sind präzise ausgeführt. Mit erstaunlicher Akribie wurde dieses Konzept bis in den  letzten Winkel durchgezogen. Der Materialmix ist gekonnt inszeniert, die Anschlussdetails sind präzise ausgeführt. Mit erstaunlicher Akribie wurde dieses Konzept bis in den  letzten Winkel durchgezogen.

Projektdaten

Basisdaten

Lage des Objektes
Largo Isarco 2, 20139 Milano, Italien
Projektkategorie
Fertigstellung
06.2018

Gebäudedaten nach SIA 416

Nutzfläche
18'900 m²

Beschreibung

Alles Gold, was glänzt?

In einer ehemaligen Gin-Destillerie von 1910, im Largo Isarco, einem Industriegebiet südöstlich vom Zentrum Mailands, realisierten Herzog & de Meuron und Rem Koolhaas mit seinen Partnern Chris van Duijn und Ippolito Pestellini das Art Center der Fondazione Prada. Das unverwechselbare Ensemble verbindet Vergangenheit und Gegenwart gleichwertig miteinander.

In vielen europäischen Städten werden in brachliegenden sub- und periurbanen Stadtgebieten ehemalige Produktionsanlagen zu neuen kulturellen Industriestätten transformiert. Selten behält dabei ein Gebiet seine historische Identität und Struktur wie das rund 18 900 m² grosse rechteckige Kulturzentrum der Fondazione Prada, das bis Mitte der 1970er-Jahre als Produktionsstätte der «Società Distillerie Italiane» genutzt wurde. Die Bestandsgebäude, die entlang des Randes des Areals angeordnet sind, wurden in ihrem Äusseren behutsam konserviert. Diese wurden entsprechend ihrer Raumkonfiguration durch neue Nutzungen als Büro, Archiv, Depot, Foyer, Buchshop, Ausstellungshalle und Galerien adaptiert. Die Bar gestaltete der amerikanische Filmregisseur Wes Anderson mit Motiven der Galleria Vittorio Emmanuele.

Das Alte hebt sich vom Neuen deutlich ab und bewahrt damit seine Eigenständigkeit. Die drei vom Office for Metropolitan Architecture (OMA) ausgeführten Gebäude, nämlich das Podium, der Torre und das Cinema, sind mit unverkennbarer Präzision im Detail ausgeführt. Während das Podium für temporäre Ausstellungen genutzt wird, birgt der Torre permanente Ausstellungen der Fondazione. Das Cinema, ein Multimedia-Auditorium, dient als Spielstätte für Konzerte und Theaterstücke.

Das Entwurfskonzept
Rem Koolhaas, der hier an einer neuen Ausstellungstypologie experimentiert, stellt Alt und Neu in einer permanenten Interaktion gegenüber, ohne dass eines das andere dominiert. Neu, alt, horizontal, vertikal, breit, schmal, weiss, schwarz, offen, geschlossen – all diese Kontraste bilden die Bandbreite der Gegensätze, welche die neue Fondazione laut Rem Koolhaas definieren: «Durch die Menge an räumlichen Variablen fördert die komplexe Architektur eine unbeständige offene Programmierung der Räume, in der Kunst und Architektur von den Aufgabenstellungen der jeweils anderen profitieren.» Diese neue Vision eines Ausstellungsorts als moderne Kunst-Agora, bei der die Architektur der Kunst nicht nur einen Rahmen bietet, setzt die Architektur an sich in Szene. Sie spielt vor allem mit Materialität, die zwischen «shabby chic» und «Luxus pur» changiert.

Das massengefertigte Industrieprodukt trifft auf handwerkliche Präzisionsarbeit. Die OSB- und Stegplatte, die sichtbare Gipskartonplatte und der Gitterrost treffen auf grossformatigen Travertin-Kalkstein und sauber gearbeiteten weissen Sichtbeton beim Torre, auf echte Blattvergoldung am alten «Haunted House» und auf extra gefertigte Aluminiumpaneele beim Podium. Die narrative räumliche Inszenierung, die über die kontrastreich eingesetzte Materialität, unerwartete Ein- und Ausblicke und zahlreiche Spiegelflächen erreicht wird, ist das Entwurfskonzept. Zusätzlich lässt sich die verspiegelte Fassade des Cinemas hochfalten, um einen kommunikativen Bezug zwischen den Gebäuden über die gesamte Längsachse des Areals zu erzeugen. Konzeptuell ist die Funktion jedes Gebäudeteils unabhängig, so dass auf eine vorgegebene Wegführung durch das Areal verzichtet wird.

Das Podium und der Torre überzeugen konstruktiv
Auf den ersten Blick beeindruckt der Baukörper des Podiums, ein Glaskubus mit einem darüber schwebenden, sehr schwer erscheinenden geschlossenen Museumsraum. Doch bei genauerer Betrachtung liegt dieser auf verkleideten Stahlstützen im Innenraum des Glaskubus und auf den Bestandsbauteilen auf. Das quadratische Erdgeschoss mit fünf Meter hohen Fassadenelementen aus Stopray-Vision-Sonnenschutzverglasung zwischen eloxierten Aluminium-Pfostenkonstruktion erhebt sich auf einem Sockel. Der Sockel, die Fassade, die Innendecken- und Dachkonstruktion sind mit einem Aluminium-Foam-Paneel verkleidet, das von OMA für das Prada Epicenter am Rodeo Drive Store in Los Angeles (2002-04) speziell entwickelt wurde.

Gegenüber dem goldenen «Haunted House» und dem silbernen Podium erscheint der elfgeschossige Torre aus speziell gefertigtem weissen Beton, dem Marmormehl beigemengt wurde, zurückhaltend. Dafür besticht er durch seine Formgebung und Panoramablicke auf Mailand, die sich aufgrund der unterschiedlichen Raumkonfigurationen und -höhen der Ausstellungssäle ergeben. Der monolithische Turm mit dem statisch wirksamen Erschliessungskern wird durch eine mächtige, aussenliegende schräge Stütze gehalten. Er beherbergt Nebenräume, Aufzüge und die beiden gegenläufigen, grossartig inszenierten Treppen.

Die Fondazione Prada in Mailand stellt sicherlich einen Höhepunkt in der langjährigen Zusammenarbeit zwischen Prada und OMA dar. Einmal mehr ist es Rem Koolhaas und seinem Team gelungen, einen architektonischen Massstab zu setzen.

Das Konzept des «Art Centers» stellt typologisch eine endgültige Abkehr von der Ästhetik des «White-cube», dem neutralen Ausstellungsraum, dar. Die Fondazione Prada in Mailand ist vielmehr eine grosse Bühne, die mit ihrer flexiblen Kulisse und unterschiedlichen kulturellen Veranstaltungen permanent Neues zu entdecken verspricht.

Text: Petra Kickenweitz

Projektbeteiligte Unternehmen

Planung

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