Collage City Luzern – Einladung zum Event
Luzern und die umliegenden Gemeinden wandeln sich rasant. Um die stadträumlichen und architektonischen Entwicklungen greifbar zu machen, präsentieren am Arc Afterwork am 23. März 2023 im Verkehrshaus neun Architekt*innen ebenso viele Projekte, die jüngst fertiggestellt wurden oder in Planung sind. Zwei Fragen stehen im Zentrum des Vortragsabends: Können sich die eher unstrukturierten Agglo-Gemeinden wie Kriens, Emmen und Horw im Zuge der Transformation zu neuen urbanen Quartieren entwickeln? Und kann auch das historische Zentrum Luzerns verdichtet werden?

Visualisierung Jørg Himmelreich / Documedia / midjourney
Luzern hat, wenn man darunter sowohl die Stadt selbst als auch die mit ihr verwachsenen Gemeinden Kriens, Emmen und Horw versteht, zwei Gesichter: Das Zentrum präsentiert sich als Gesamtkunstwerk. Die Synthese aus mittelalterlicher Altstadt, gründerzeitlicher Blockrandbebauung und den Grandhotels der Belle Époque am Seeufer ist weltberühmt. Emotional stark aufgeladen, schienen von wenigen Ausnahmen abgesehen für gefühlt ein Jahrhundert kaum Veränderung denkbar. Freunde nennen Luzern wertschätzend «Freilichtmuseum»; Kritiker benutzten Metaphern wie «Disneyland», um ihren speziellen Zustand, den hohen Grad an Kohärenz und den daraus resultierenden selbstauferlegten Stillstand, zu beschreiben.Ganz anders die umliegenden Gemeinden: Kriens, Emmen und Horw wurden seit der Industrialisierung getrieben von den Kräften der Agglomeration. Auch die Dynamik der Wirtschaftswunderjahre hat sich tief in ihre baulichen Gefüge eingeschrieben. Verkehrsinfrastrukturen, Gewerbezonen und Wohngebiete stossen unmotiviert aufeinander. Kontraste und Brüche prägen das Erscheinungsbild. Die Bewohner*innen der Agglo-Gemeinden haben sich gegen eine Fusion mit Luzern ausgesprochen. Hinsichtlich ihrer räumlichen und sozialen Strukturen sind sie jedoch längst zu Stadtquartieren geworden. Eingebettet in den pittoresken Landschaftsraum der Zentralschweiz mit hohen Bergen, Seen und Wäldern wirkt die stadträumliche und architektonische Kakofonie von Emmen, Horw und Kriens umso unwirtlicher. Denn eine gestalterische Bezugnahme zwischen Landschafts- und Siedlungsraum scheint kaum gesucht worden zu sein. Der Verkehr und dessen Planung gab rund um Luzern jahrzehntelang den Takt vor und treibt die Entwicklung bis heute vor sich her.
Agglo wird Stadt
Doch nun werden die Karten neu gemischt. Denn in und um Luzern grassiert derzeit ein Baufieber, das neue Chancen eröffnet. Fand das Wachstum der Schweiz in den 1990er-Jahren vor allem im Unterland statt, steht längst auch die Zentralschweiz unter Druck. Sie präsentiert sich mittlerweile als eine der am schnellsten wachsenden Grossregionen des Landes. Tiefe Steuern, eine reizvolle Landschaft, «günstige» Immobilien- und Mietpreise, gute Verkehrsanbindungen an die grossen Zentren und eine pfiffige Hightech-Industrie: Dieser Mix lässt die Zentralschweiz derzeit boomen. Nun stellen sich in Bezug auf Architektur und Städtebau alte und neue Fragen: Wie umgehen mit dem historischen Zentrum? Soll es «eingefroren» bleiben oder verdichtet und neuen Lebens- und Arbeitsbedürfnissen angepasst werden? Und noch wichtiger: Wie können die angrenzenden Gemeinden mit dem Wachstumsdruck konstruktiv umgehen? Dort öffnen vor allem brachfallende Industrieareale an attraktiven Lagen grosse Potenziale. Sie haben die Begehrlichkeiten der Immobilienwirtschaft geweckt. Investoren, Verkehrsplaner*innen und Grundeigentümer*innen verfolgen leider oft partikulare Agenden, ohne das grosse Ganze im Blick zu haben. Doch auch hier zeichnet sich ein Wandel ab. Immer mehr Akteure erkennen, dass der Umbau von Luzern-Nord und -Süd eine wertvolle Chance bietet, aus den Agglo-Gemeinden endlich lebenswerte und charismatische «Orte» zu machen, an denen die Aufenthaltsqualität und die Orientierung ernster genommen und dem Langsamverkehr mehr Raum gegeben wird. Dahinter steht oft der Wunsch, Emmen, Horw und Kriens zu urbanen Quartieren mit Zentrumscharakter zu machen. Das System ist träge und starr. Dennoch versuchen zahlreiche Mitarbeitende in den Institutionen, Architekt*innen und Investoren mit Masterplanungen, Wettbewerbsbeiträgen und Projekten neue, prägnante Konzepte einzubringen.
Gesamtbild und Vielfalt
Die vorhandenen Instrumente sind jedoch schwach und daher wenig hilfreich, um die Entwicklungen zu steuern oder zu koordinieren. Diese Lücke versucht beispielsweise der Planungsverband LuzernPlus, eine gemeinsame Initiative von Luzern, Horw und Kriens, zu schliessen. Wichtigster Baustein in dessen Strategie ist ein Entwicklungsleitbild, ausgearbeitet von Ernst Niklaus Fausch, Bürokobi und dem Studio Vulkan aus dem Jahr 2013. Weil einige Entwicklungen, beispielsweise auf dem Mattenhofareal und im Zentrum von Horw bereits im Gange waren, wurde versucht, das Vorhandene und bereits im Entstehen begriffene zu einem neuen Ganzen zusammenzufügen. Dazu wurde ein Gerüst aus Freiräumen vorgeschlagen, allem voran drei begrünte Achsen, die künftig mehr Orientierung bieten sollen. Die Autobahn wird teilweise überdacht und zu einem neuen Park, das Horwer Seeufer entwickelt und das Grün vom Fuss des Pilatus in die Stadt hineingeführt. Auch Emmen hat 2010 mit dem Masterplan für ein «Stadtzentrum» einen Fahrplan für den Umbauprozess von Luzern-Nord vorgelegt. Dafür haben massgeblich metron, pool Architekten, ewp und Berchtold.Lenzin Landschaftsarchitekten Ideen und Konzepte beigesteuert. Unmittelbar am Bahnhof Emmenbrücke und am Fluss Kleine Emme gelegen soll mit einer Neugestaltung der Ufer und grossen Bauten rund um den neuen Seetalplatz ein urbaner Mittelpunkt entstehen. Da jedoch insbesondere in Luzern-Süd die Entwicklungsfelder weitläufig verstreut sind, hängt vieles von den Qualitäten der einzelnen Stadtbausteine ab. Der Titel des Arc Afterworks wurde bewusst an die wichtige architekturtheoretische Schrift «Collage City» von Colin Rowe und Fred Koetter angelehnt. Die beiden hatten darin 1978 die Architektur und den modernen Städtebau, allem voran die Funktionstrennung und den Fokus auf den Automobilverkehr kritisiert. Dem setzten sie die Vision einer dicht verwobenen, von Pluralität und Vielfalt geprägten und von ständigem Wandel getriebenen Stadt entgegen. Die Technik der Collage, wie sie in der Kunst vorherrscht, galt ihnen als positiver Gegenentwurf. Denn für Rowe und Koetter sollten im Idealfall viele kleine Ideen eine widersprüchliche, diverse aber letztlich kulturell reiche Stadt hervorbringen.
Blick in die Glaskugel
Da in und um Luzern derzeit bestehende Stadtstrukturen ersetzt oder adaptiert werden, wird zwangsläufig das bestehende Patchwork weitestgehend erhalten bleiben. Dieses könnte jedoch im Sinne einer Collage stadtstrukturell und architektonisch neu gedeutet und zusammengebunden werden. Damit dies gelingt, müsste insbesondere in den «neuen Stadtquartieren» das Ganze mehr werden als die Summe seiner Teile. Das stellt Anforderungen an die Architekt*innen und alle anderen Akteure gleichermassen. Jedes neue Objekt oder Areal muss – wo immer möglich – das grössere Ganze einbeziehen. Wenn am Arc Afterwork also eine wichtige Auswahl neuer Luzerner Stadtbausteine gezeigt wird, schwingt dabei immer auch die Frage mit, wie diese aus der kleinen und mittleren Massstabsebene heraus das städtische und landschaftsräumliche Gesamtgefüge mitdenken.
Eine Anmeldung ist leider nicht mehr möglich, da bereits alle Plätze reserviert sind. Wer sich aber für die städtebauliche Entwicklung von Luzern interessiert, bestellt ein Abo des Arc Mag. Die gesamte März-Ausgabe 2023 dreht sich um die Kantonshauptstadt und die umliegenden Gemeinden.