Beton neu denken – Einladung zum Arc Afterwork in Zürich

Veröffentlicht am 22. April 2024 von
Jørg Himmelreich

Beim nächsten Arc Afterwork am 30. Mai 2024 dreht sich alles um Beton. Im Zuge der fortschreitenden Klimakrise ist es en vogue geworden, Bauten – die ihre Betonkonstruktion offen zeigen – als unzeitgemäss zu shamen. Doch wie sinnvoll ist das? Egal wie sehr Alternativen – beispielsweise Holzkonstruktionen – weiterentwickelt werden: Es wird beim Bauen nicht sinnvoll oder möglich sein, komplett auf Beton zu verzichten. Statt dem Material also mit pauschaler Ablehnung zu begegnen, wird beim Vortragsabend in der Giesserei Zürich-Oerlikon das Thema konstruktiv angegangen. Gemeinsam mit den Gästen begeben wir uns auf eine Suche nach nachhaltigeren Rezepturen und schlankeren Konstruktionen.

Beton ist aus der Architektur nicht mehr wegzudenken – kein Material wird in grösseren Mengen hergestellt und verbaut. Nach Wasser ist er weltweit der zweitmeist verwendete Stoff. Beton belastet die Umwelt jedoch schwer – insbesondere durch den hohen CO2-Ausstoss bei der Zementherstellung. Schätzungen gehen davon aus, dass sie für acht Prozent der globalen Kohlendioxidemissionen verantwortlich ist. Auch aus Abbruchbeton hergestellte Recycling-Produkte haben noch keine überzeugende Umweltbilanz. Zeit also, nach neuen Wegen zu suchen.

Beim nächsten Arc Afterwork stellen Forscher*innen neue Ideen bezüglich der Zusammensetzung und innovative Konstruktionsweisen vor; während Architekt*innen mit ihren Projekten das gestalterische Potenzial der neuen Mixturen und Bauweisen ausloten. Das gemeinsame Ziel ist, das Material Beton nicht plakativ zu verteufeln, sondern kreativ weiterzudenken.

Beim Vortragsabend werden verschiedene Ansätze untersucht: Zum einen werden Methoden dargestellt, mit denen die Menge des Materials durch clevere schlanke Konstruktionen verringert werden kann. Francesco Ranaudo stellt das Rippmann Floor System der Vaulted AG vor und Stefan Thommen, Mitglied der Geschäftsleitung bei Gigon / Guyer, zeigt auf, wie diese filigranen Deckengewölbe bei einem Gebäude in Zug nicht nur die Masse reduzieren, sondern auch die Ästhetik des Bürohauses auf ganz neue Art prägen werden.

Umhüllt von Hanf – Bach Mühle Fuchs sind ein junges Architekturbüro aus Zürich, das mit Neugierde alternative Baumaterialien testet. Gemeinsam mit Ljubica Arsic hat Daniel Fuchs in Serbien ein Haus mit Wänden aus Hanfbeton gebaut, das er beim Afterwork vorstellen wird. | Foto: Marko Milanovic
Nur geborgt – Bauingenieur Josef Kurath forscht an der ZHAW am Institut für Bautechnologie und Prozesse. Er ist am Aufbau eines Sharing-Modells für Betonteile beteiligt, einem Baukasten aus Fertigteilen, die dereinst – wenn sie für ein Bauwerk nicht mehr gebraucht werden – an die Herstellenden zurückgegeben werden sollen. | Foto: Katharina Bayer

Josef Kurath wird seine Forschung an der ZHAW präsentieren. Sein Ansatz setzt auf den Re-Use von Betonteilen. Statt sie zu kaufen, könnten sie künftig lediglich geborgt und – sobald nicht mehr benötigt – an die Herstellenden zurückgegeben werden. Um das Wiederverwenden möglichst einfach zu machen, entwickelt er zudem ein Baukastensystem aus Fertigteilen.

Oxara und Stefan Wülser wiederum gehen die Mischungen des Betons an. Letizia Caderas wird die Forschung und die Produkte des ETH-Spin-Offs Oxara vorstellen, welches sich die Wiederverwendung von lehmhaltigem Aushub und von Mischabbruch als Ziel gesetzt hat. Von dort übernimmt Wülser den Staffelstab und präsentiert seine Arbeiten am Manal Pavillon, einem kleinen prototypischen Gebäude aus den erwähnten zementfreien Materialien, der auf dem Gelände der HSLU errichtet wird. Er wird darlegen, dass diese innovativen Mischungen zwar weniger stabil sind als Beton und schneller verwittern, dafür aber ein besseres Innenklima bieten und zu einem neuen Ausdruck führen.

Mix it – Oxara sucht nach Alternativen zu Beton mit Zement. Unter anderem experimentiert das Team mit Erde und Mischabbruch. Letizia Caderas wird die Materialpalette des ETH-Spin-offs vorstellen. | Foto © Oxara
Testsite – weil Bauherrschaften vor neuen Materialien meist zurückschrecken, gilt es Prototypen zu errichten. Stefan Wülser arbeitet im Rahmen seiner Lehrtätigkeit an der HSLU am Manal Pavillon; ein kleines Gebäude, das aus Lehm und Abbruchmaterialien errichtet werden wird. | Foto: Stefan Wülser

Ästhetik ist beim gesamten Event ein wichtiger Teilaspekt. Zwar ist sie im Kontext der Klimakrise aus dem Fokus gerückt – sie scheint ein Luxus, welcher der Umweltbilanz hinten anzustellen sei. Die ausgesuchten Referate und beispielhaften Bauten sollen jedoch den Beweis antreten, dass über die angepassten Materialien und schlankeren Konstruktionen eine neue Anmutung und Wirkung entstehen kann, welche die Architektur bereichern. Dass diese Lust machen, ist wichtig. Denn nur wenn Architekt*innen, Bauherrschaften und Nutzende auch auf der emotionalen Ebene vom Wert der neuen Materialien und Konstruktionen überzeugt sind, werden sie sich im grossen Stil durchsetzen können.

Neogotik – Ästhetik spielt eine grosse Rolle, wenn es um die Akzeptanz von Baustoffen geht. Dass eine klimaschonende Bauweise das Potenzial für eine neue Anmutung hat, zeigt Stefan Thommen, Mitglied der Geschäftsleitung bei Gigon / Guyer anhand des Rippmann Floor Systems beim CreaTower I in Zug. | Visualisierung Ponnie Images
Schlankheitskur – ein Blick auf die Architektur der Gotik zeigt: Decken können filigran sein, wenn man sich an Gewölbe- und Rippenstrukturen orientiert. Francesco Ranaudo zeigt, wie das an der ETH Zürich entwickelte Rippmann Floor System von der Vaulted AG zu einem (hoffentlich bald) breit eingesetzten Bauelement wird. | Foto © Gigon / Guyer

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Dieser Artikel ist in Arc Mag 2024–3 erschienen. Bestellen Sie jetzt ein Abo, damit das Heft schon bald in Ihrem Briefkasten ist.

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