Verdichten in die Höhe – Einladung zum Arc Afterwork in Lausanne

Veröffentlicht am 18. Juni 2024 von
Valentin Oppliger

Raumplanungs- und Waldgesetz sollen die Zersiedelung bremsen und Grünräume schützen. Im RPG wird unter anderem geregelt, dass nicht mehr Bauland eingezont werden darf, als hochgerechnet in den nächsten 15 Jahre benötigt wird. Beide Gesetze sind grundsätzlich gut, führen aber auch dazu, dass sich in den Metropolitanräumen die Wohnungskrise verschärft. Politik, Planung und Architektur sind gezwungen, kreativ zu werden. Das Liberalisieren von Höhenbeschränkungen und das Aufstocken bestehender Gebäude ist eine Möglichkeit, um an gut erschlossenen Orten nachzuverdichten. Doch macht es Sinn – wie aktuell von der FDP vorgeschlagen – schweizweit zwei Etagen mehr zu erlauben? Beim Afterwork am 4. September im Musée Olympique in Lausanne dreht sich alles um das Thema «Aufstocken». Zehn Architekt*innen zeigen ihre Projekte und gehen in ihren Vorträgen auf konstruktive, gesetzliche und gestalterische Fragen ein.

Im Angesicht der Klimakrise muss die Bauproduktion künftig weniger CO2 ausstossen. Dabei sind zwei Ansätze besonders vielversprechend: das Verdichten und der Erhalt von möglichst viel Bausubstanz. Leider führen Liberalisierungen bei Ausnutzungen und Höhen meist dazu, dass abgerissen und Ersatzneubauten erstellt werden. So wird zwar mehr Wohnraum auf der selben Fläche errichtet, zugleich werden aber grosse Mengen grauer Energie vernichtet beziehungsweise freigesetzt und günstige Wohnungen gegen solche mit höheren Mieten ausgetauscht. Insofern ist es sinnvoll, das Potenzial von Aufstockungen bestehender Gebäude genauer unter die Lupe zu nehmen.

Sujets Objets/ haben 2022 dem Gebäude der HEAD in Genf – einem ehemaligen Industriegebäude welches von Architekt Jean Erb errichtet und 1948 fertiggestellt wurde – einen gläsernen Aufbau hinzugefügt. | Foto: Charly Jolliet
Lacroix Chessex haben ein Wohnhaus an der Avenue Wendt in Genf um zwei Etagen erhöht. Während die Aufstockung beim Nachbargebäude unscheinbar mit dem Bestand verschmilzt, präsentiert sich bei diesem Projekt der Aufbau mit einem ganz eigenem Charakter, Formsprache und Materialität. | Foto: Olivier Di Giambattista
Madeleine architectes bauen derzeit ein Wohnhaus in Val-d'Illez in ein Gemeindehaus um. Vom Altbau werden lediglich die Fassaden erhalten. Das gesamte Innenleben wird neu errichtet und zudem die Geschosse erhöht. Dazu werden auf den Ebenen der Decken aussen streifenförmige Füllungen eingefügt. | Foto © Madeleine architectes
Corgémont ist eine kleine Gemeinde im Kanton Bern. Studio V9 haben dem Haus ein höheres Dachgeschoss aufgesetzt, um mehr Platz für die Grosjean-Stiftung zu schaffen. | Foto © Studio V9

Gesetze als Hebel

Aktuell kann man in der Schweiz vermehrt spannende Aufstockungsprojekte entdecken. Das hat vor allem mit neuen Regeln zu tun. So wurden beispielsweise 2008 im Kanton Genf per Gesetz die städtebaulichen Regeln geändert. In zwei Zonen im Stadtzentrum wurde das Hinzufügen von zwei neuen Stockwerken erlaubt. Diese Erhöhung des Strassenraumprofils ist ein Ansatz, um der Bauwirtschaft Anreize für die Erstellung neuen Wohnraums zu geben, um der Knappheit entgegenzuwirken. Ein anderes Gesetz, welches die Preissteigerungen auf dem Wohnungsmarkt im Zaum hält, steht jedoch in vielen Fällen den Aufstockungen im Weg, da diese für Investoren unrentabel wären. So wurden im Jahrzehnt nach Inkrafttreten des Gesetzes weniger als 500 Wohnungen im Rahmen von 40 Aufstockungen geschaffen. Darüber hinaus stellte sich die Stadtverwaltung von Genf, die sich neben Mietsteigerungen auch um das Stadtbild Sorgen machte, häufig bei Aufstockungs­projekten quer. Dieser Dissens zwischen Kanton und Stadt beim Thema Aufstocken wurde sechs Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes durch einen Leitfaden gelöst. Bruno Marchand hat ihn zusammen mit Joud & Vergély entwickelt. Mit seiner Hilfe können Behörden und Kommissionen die Gesuche bewerten. Auch für Investoren bietet dieses Instrument eine Hilfestellung, ihre Projekte so auszuarbeiten, dass eine Genehmigung wahrscheinlich ist.

Das Projekt von Rapin Saiz in Vevey umfasst die Sanierung eines Gebäudes mit Werkstätten und Labors sowie den Umbau und die Erweiterung eines Nebengebäudes zu Büroräumen. | Foto: Joël Tettamanti
Die Aufstockung eines Gebäudes aus den 1960er-Jahren in Genf durch Jaccaud + Associés ist geprägt von der Suche nach einer einheitlichen neuen Gesamtform. Die Erweiterung ist nur bei genauem Hinsehen anhand der leicht anderen Proportionen der Bauteile und geringer Unterschiede in den Materialien ablesbar. | Foto: Joël Tettamanti
Die Wankdorf City in Bern soll durch vielfältige An- und Aufbauten ergänzt werden. Das Projektteam besteht ebenfalls aus einem bunten Mix an Kreativen und setzt sich zusammem aus rolf mühlethaler architekten, Maurus Schifferli Landschaftsarchitekt, E2A Architekten, Meili, Peter & Partner, Bob Gysin Partner Architekten, Bauart Architekten und Planer und S+B Baumanagement. | Foto © Rolf Mühlethaler Architekten
Beim Aufstockungsprojekt von Localarchitecture in der Avenue Dapples in Lausanne wurde mit Holz gearbeitet. Dem ursprünlich flachen Haus wurde dazu ein zweigeschossiges Mansarddach aufgesetzt. Die Etagen darunter blieben unverändert. | Foto: Michel Bonvin

Ein Modell für die gesamte Schweiz?

Neben den ökonomischen Aspekten sind Aufstockungen zugleich gestalterische Chancen und Herausforderungen. Wie können Alt und Neu miteinander verschmelzen oder in einen interessanten Dialog treten? Die Proportionen der Strassenräume werden verändert und damit der Charakter ganzer Stadtquartiere transformiert. Clevere Entwürfe haben das Potenzial, bislang banalen Projekten neuen Esprit einzuhauchen.

Beim Arc Afterwork werden zehn Architekt*innen Aufstockungen vor allem aus den Kantonen Genf und Vaud zeigen. Die dynamischen Vorträge werden aus 20 Folien bestehen, die jeweils für 20 Sekunden zu sehen sein werden. Die Projekte liegen an verschiedenen Orten und haben verschiedenartige Kontexte. Sie reichen von der Aufstockung eines Einfamilienhauses bis zum Aufsetzen dreier neuer Etagen auf ein grosses Wohnhaus. Manche von ihnen sind diskret und beinahe unsichtbar, andere treten selbstbewusst mit einer eigenen Sprache in Erscheinung. Ein Ziel des Abends wird es sein, von den Projekten der Romandie zu lernen und zu diskutieren, ob dieses Modell auch an anderen Orten der Schweiz ein geeignetes Instrument zur Verdichtung sein kann. Zwei Projekte in Bern öffnen dahingehend bereits das Feld.

Melden Sie sich online auf swiss-arc.ch an und reservieren sich einen Platz im Musée Olympique für den Afterwork am 4. September 2024. Wir freuen uns, gemeinsam mit Ihnen über die Potenziale der Verdichtung in die Höhe zu diskutieren!

Vor dem Hintergrund des Mangels an Schulraum fügten Pont12 architectes der Schule Les Allières in Genf sechs neue Klassenzimmer hinzu. Ein aufgesetzter Stahl- und Glasbau und eine auffällige neue Aussentreppe machen die Ergänzung klar ablesbar. | Foto: Vincent Jendly
In Prilly haben Dreier Frenzel ein Mehrgenerationenhaus renoviert und aufgestockt. Die Architekt*innen sind davon überzeugt, dass Wohngruppen eine gute zeitgemässe Form des Zusammenlebens sind. | Foto: Eik Frenzel

Der Event ist leider bereits ausgebucht. Wir stellen aber wenige Wochen nach dem Event hier ein Video des Abends online!

Dieser Artikel ist in Arc Mag 2024–4 erschienen. Bestellen Sie jetzt ein Abo, damit das Heft schon bald in Ihrem Briefkasten ist.

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