Haustechnik auf dem Prüfstand – Videos und Nachbericht vom Vortragsabend
Beim Arc Afterwork am 14. März 2024 in Basel drehte sich alles um Komfort in der Architektur im Spannungsverhältnis zur Nachhaltigkeit. Marc Angélil, Mike Guyer, Moritz Gleich und Jürg Graser präsentierten ihre Perspektive auf den Wert von High- und Lowtech. Wenngleich Vor- und Nachteile abgewogen wurden, gaben alle Referenten konstruktiven Ansätzen den Vorzug gegenüber mechanischen.
Seit mehr als einem Jahrhundert ist die Steigerung des Komforts eines der wichtigsten Ziele der Architektur. Heizung, mechanische Belüftung, optimierte Zirkulation und Kommunikationsmittel haben die Disziplin von einer Ästhetikdebatte hin zu Fragen der Produktivität und Effizienz verschoben. Wie beeinflusst das Komfortniveau den Ressourcenverbrauch und wieso stossen immer komplexere technische Anlagen zunehmend auf Widerspruch? In der Architektur sind viele Faktoren und Aspekte zu berücksichtigen, um Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Jede Entscheidung und Änderung im Entwurfs- und Konstruktionsprozess beeinflussten den CO2-Ausstoss. Es wird zunehmend Kritik an der Tendenz laut, aktuelle Probleme mit immer komplexeren technischen Anlagen zu lösen. Oftmals sind die Lebensdauer, Funktionalität und der Wartungsaufwand solcher Systeme nur schwer vorhersehbar, und der Nutzen steht nicht im Verhältnis zum Aufwand. Als Alternative werden daher verstärkt Lowtech-Lösungen diskutiert, bei denen beispielsweise konstruktiver Klimaschutz und die passive Nutzung von Solarenergie oder Abwärme im Vordergrund sind. Beim Arc Afterwork lag der Schwerpunkt auf der Diskussion über Sinn oder Unsinn von Haustechnik.

Mehr als 100 Gäste strömten bei frühlingshaften Temperaturen in die Halle 7 in Basel.
Arc Mag Chefredaktor Jørg Himmelreich führte eloquent durch den Abend, an dem vier einflussreiche Schweizer Protagonisten auftraten. Alle vier Referenten haben kürzlich ein Buch zum Thema veröffentlicht. Moritz Gleich, Leiter des gta Verlags an der ETH Zürich, eröffnete den Abend mit einem Rückblick auf die Historie des Begriffs Komfort. In seinem Vortrag präsentierte er fünf Thesen bezüglich des architektonischen Komforts. Zusammenfassend betonte Gleich, dass er ein Element zwischen Luxus und Notwendigkeit sei, das von der Gesellschaft kontinuierlich neu austariert werden müsse. Für ihn geht Komfort mit einem performativen, nicht unmittelbar technischen Architekturverständnis einher.
Eine andere Sichtweise veranschaulichte Architekt Jürg Graser anhand des «Architektur Klima Atlas» – einer Publikation, die er mitherausgibt. Er beschrieb die Ergebnisse des Forschungsprojekts an der ZHAW «Messung und Modellierung» sowie Planungsstrategien, bei denen Energieverbrauch, Ressourcenknappheit und nachhaltige Gebäudenutzung gleichermassen die Architektur prägen. In enger Zusammenarbeit mit Studierenden wurden fünf Wohnbauten aus den Jahren 1811 bis 2011 detailliert analysiert und dem interessierten Publikum vorgestellt.
Marc Angélil gab Einblicke in die Arbeiten von agps und das Buch «Flux Redux». (Ein ausführliches Interview dazu finden Sie im Arc Mag 2024–2). Seine Darlegung – untermauert von drei Zitaten, einem Fallbeispiel und fünf Aussagen – illustrierte eindrucksvoll die sich stetig verändernden Beziehungen zwischen Architektur und Technologie im Kontext der Nachhaltigkeit. Am detailliert vorgestellten Bürogebäude für die IUCN in Gland zeigte er auf, wie es möglich ist, die Betriebsenergie stark zu senken und mit dem Bauwerk selber Energie zu produzieren. Der Bericht offenbarte jedoch auch, dass versteckte Kosten und Emissionen bei Hightech-Gebäuden oft übersehen werden. Angélil betont daher abschliessend in fünf Kernaussagen, dass Technologie nicht bedingungslos vertraut werden sollte, da sie letztlich immer versage, und plädiert dafür, deren Einsatz auf ein Minimum zu beschränken.
Den Abschluss des Quartetts bildete Architekt Mike Guyer. Er verglich drei junge Bauten des Büros Gigon / Guyer – das Bürohochhaus Andreasturm in Zürich, das Sozialversicherungszentrum WAS in Luzern und das Hochhaus CreaTower in Zug. Sein Fazit: «Je länger ein Gebäude hält, desto nachhaltiger ist der Betrieb. Je weniger Technik, desto besser.» Zudem sollten die Zielwerte für graue Energie und CO2 beim Bau und Betrieb gegeneinander abgewogen werden. Guyer betonte, dass die Akzeptanz der Architektur durch die Gesellschaft und die Nutzer*innen ein ebenso wichtiger Faktor für ihre Nachhaltigkeit sei wie die Energiebilanz bei der Konstruktion und dem Betrieb.
In den Kurzvorträgen wurde deutlich, dass gute Ergebnisse je nach Kontext und Bauaufgabe unterschiedliche Lösungen verlangen. Der Abend hielt nicht nur eine Vielzahl interessanter Erkenntnisse bereit, sondern animierte beim anschliessenden Flying Dinner auch dazu, die Diskussion über die Zukunft des Bauwesens und die Bedeutung von Nachhaltigkeit und Komfort weiterzuführen.
Dieser Artikel erscheint im Arc Mag 2024–3. Bestellen Sie jetzt ein Abo, damit das Heft schon bald in Ihrem Briefkasten ist.