Pile Up – Bericht und Videos von der Veranstaltung

Veröffentlicht am 22. September 2024 von
Jean-A. Luque

Mehr als 100 Personen kamen am 4. September 2024 zum Swiss Arc Afterwork «Pile up» ins Olympische Museum in Lausanne. Neun Architekt*innen präsentierten ebensoviele Aufstockungen. Ihren Nutzen für die Stadtentwicklung und Verdichtung sowie ihre Materialität und Konstruktion standen im Zentrum der Referate und der abschliessenden Diskussion.

Die Referent*innen gaben dem begeisterten Publikum in jeweils sechsminütigen Referaten Einblick in ihre Arbeiten und Forschungen. Foto: Pedro Gutiérrez

Die Referent*innen gaben dem begeisterten Publikum in jeweils sechsminütigen Referaten Einblick in ihre Arbeiten und Forschungen. Foto: Pedro Gutiérrez

Die Referent*innen gaben dem begeisterten Publikum in jeweils sechsminütigen Referaten Einblick in ihre Arbeiten und Forschungen. Foto: Pedro Gutiérrez

Man liest es täglich in den Medien: Die Leerwohnungsziffer in der Schweiz hat einen Rekordtiefstand erreicht, die Bevölkerung wächst aber weiterhin rasant. Weil Bauland immer teurer und knapper wird – verschärft durch die Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG) – müssen neue Lösungen her. Auch die Architekt*innen sind gefragt, Ideen zu entwickeln, um dem brennenden Problem entgegenzuwirken.

Mehr als 120 Personen waren an den neun Vorträgen beteiligt. Foto: Pedro Gutiérrez
Im Anschluss an die Vorträge bot ein Flying Dinner den Teilnehmer*innen die Möglichkeit, sich über das Thema auszutauschen. Foto. Pedro Gutiérrez

Das Aufstocken bestehender Gebäude ist eine mögliche Strategie, um der Herausforderung durch die Verdichtung innerhalb der existierenden Siedlungsstrukturen zu begegnen. Dieser Ansatz stand im Mittelpunkt des Arc Afterwork im Olympischen Museum in Lausanne. Im voll besetzten Saal präsentierten neun Architekt*innen ihre Aufstockungsprojekte. Dank des flotten Formats war die Informationsdichte sehr gross: Die Referent*innen durften 20 Bilder zeigen, die nach jeweils 20 Sekunden automatisch wechselten. Dies bot Gelegenheit, eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze zu entdecken. Überraschend war, wie vielfältig die Neuinterpretationen der bestehenden Gebäude durch das Hinzufügen von einem oder zwei Stockwerken ausfielen.

Simon Chessex stellt die Aufstockung eines Wohnhauses in Genf vor.
Inigo Oregui Biain spricht über die Aufstockung von Localarchitecture in Lausanne.
Antoine Béguin präsentiert den laufenden Umbau eines Chalets in Val-d'illez.

Das Aufsetzen neuer Etagen bietet nicht nur den Vorteil, dass für den zusätzlichen Wohnraum weitestgehend an bestehende Infrastrukturen angeknüpft werden kann. Diese «sanfte» Art der Verdichtung verhindert zudem, dass für die Mehrausnutzung der Grundstücke gleich ganze Gebäude ersetzt werden – eine Praxis, die sich in der Schweiz insbesondere in den Städten ökonomisch motiviert zu einer grassierenden Kahlschlagpraxis entwickelt hat. Dies ist in doppelter Hinsicht problematisch, da dadurch enorme Mengen an grauer Energie vernichtet und die Mieten in die Höhe getrieben werden. Natürlich verursachen die konstruktiven Gerüste der bestehenden Gebäude Einschränkungen für die räumlichen Möglichkeiten der neu aufgesetzten Etagen. Zudem verändern schlankere Raumprofile den Charakter von Strassen und Quartieren.

Wie Jean-Paul Jaccaud herausstrich, ist das Aufstocken keine neue Strategie, sondern ein Prozess, der in fast allen Städten im Zuge von Bevölkerungswachstum stattgefunden hat – gut ablesbar beispielsweise an zahlreichen Gebäuden in Genf und Lausanne. Der Architekt zeigte zudem Häuser in Paris, die seit dem Mittelalter über die Jahrhunderte hinweg in die Höhe wuchsen, um den Bedarf an zusätzlichem Wohnraum im begrenzten Gebiet zu decken. Regulierend – oder man könnte auch sagen bremsend – wirken dabei Vorschriften und Gesetze. Jaccaud betonte die Bedeutung von «Kohärenz» in der Bebauung, der «Unsichtbarkeit des Eingriffs» und der «Verlängerung des Vorhandenen» hin. Für Jaccaud ist es ein Wert, wenn Aufstockungen die Gebäude sensibel weiterdenken. Ein solches Feingefühl konnte vielen Projekten, die beim Afterwork vorgestellt wurden, attestiert werden, auch wenn das Hinzugefügte mal weniger und mal mehr hervorgehoben wurde.

Ein Büro, das bei seinen Aufbauten in Genf mitunter auf Kontrast setzt, ist Lacroix Chessex Architectes, beispielsweise indem es eine Holzkonstruktion auf ein mineralisches Wohnhaus aufgesetzt hat. Durch die Weiterführung der Tragstruktur verwachsen der alte und neue Teil dennoch zu einer schlüssigen Einheit.

In Lausanne liessen sich Localarchitecture für eine Aufstockung von den Mansardendächern im Viertel inspirieren. So entstand ein Entwurf, der zugleich klassisch als auch modern in Erscheinung tritt.

Alain Walther und das Grossprojekt Wankdorfcity in Bern
Charline Dayer präsentiert die Aufstockung der HEAD in Genf.
Cyril Michod erklärt, wie die Aufstockung der Schule Les Allières in Genf ablief.

Im Wallis, im Herzen des Dorfes Val d’Illiez, stand die geringe Raumhöhe dem Umbau eines historischen Chalets aus dem Jahr 1891 in ein Verwaltungsgebäude im Weg. Bei dieser Aufstockung ging es nicht darum, Wohnfläche zu gewinnen, sondern die Geschosse zu erhöhen. In jeder Etage wurden den Wänden zusätzliche Bohlen eingefügt, indem der darüberliegende Teil mithilfe von Wagenhebern hochgestemmt wurde. Madeleine Architectes, die das Projekt leiteten, versuchten nicht die neuen Schichten mit ihrem hellen Holz zu kaschieren, sondern wollten durch deren Sichtbarkeit die Transformationsgeschichte des Gebäudes aussen ablesbar machen.

Holz ist bei den meisten Aufstockungsprojekten eine Konstante – sei es für Dachstühle, Wände oder Böden. Das liegt daran, dass die Gebäudestrukturen selten in der Lage sind, das zusätzliche Gewicht von ein oder zwei Stockwerken aus Stahl, Beton oder Stein zu tragen. Holz hat diesbezüglich viele Vorteile: Es ist nicht nur langlebig und robust, sondern auch leicht. Manchmal kommt es sogar in Form vorgefertigter Elemente zum Einsatz. Pont12 Architectes verwenden es quasi industriell für eine Schulaufstockung: Alle Elemente wurden in einer Fabrik vorgefertigt – Produktion und Montage wurden damit schnell und effizient.

Bastien Jeandrevin von StudioV9 stellt eine Aufstockung im Berner Jura vor.
Jean-Paul Jaccaud und die Aufstockung eines Gebäudes in Genf.
Yves Dreier stellt die Umwandlung eines Einfamilienhauses in Prilly vor.

Der rege Austausch in den abschliessenden Diskussionen zeugte von einem offensichtlichen Interesse an den gezeigten innovativen Lösungen und offenbarte den kollektiven Willen der Architekt*innen, an einer zeitgemässen und nachhaltigen Verdichtung mitzuarbeiten. Die Aufstockung glänzte am Arc Afterwork als eine relevante und inspirierende Antwort auf die Herausforderungen der Städte von heute und morgen.

Der Text wurde von Jean-A. Luque für Arc Mag 2025–1 verfasst. Die Übersetzung ins Deutsche wurde von Jørg Himmelreich verfasst. Bestellen Sie Ihr Exemplar unter: swiss-arc.ch/service/magazin-bestellen

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