Urban Interior

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8046 Zürich-Affoltern,
Schweiz

Veröffentlicht am 01. Januar 2016
 
Teilnahme am Swiss Arc Award 2015

Ansicht Apfelhain Ansicht Zehntenhausplatz Ansicht Zehnthaussstrasse Ansicht Stadion Ansicht Werkhof Ansicht Bahntrasse Modell Modell

Projektdaten

Basisdaten

Lage des Objektes
Zehntenhausplatz, 8046 Zürich-Affoltern, Schweiz
Projekttyp
Studierendenentwürfe

Beschreibung

«Heute werden Zentren gebaut! So sind in Affoltern zum Beispiel zwei ‘Kirchliche Zentren’ im Bau; ein drittes ist in Planung. 1971 bis 1973 soll zwischen SBB - Jonas Furrerstrasse und Zehntenhausstrasse ein grosses ‘Einkaufszentrum’ entstehen. In jener Zeit dürfte auch mit dem ‘Zentrum’ in der Überbauung ‘Unter-Affoltern’ begonnen werden mit Alterswohnheim, Schulhaus und anderen kommunalen ‘Zentrumsbauten’, welchen, im Endausbau, auch noch ein ‘Freizeitzentrum’ folgen soll. Wenn wir nun das erste dieser ‘Zentren’ einweihen, ist unsere Freude besonders gross, wird doch damit auch der Saal im ‘Kronenhof’ eingeweiht, welcher für Affoltern wirklich zu einem ‘Zentrum’ werden könnte!» (J. Spalinger, Festschrift zur Einweihung 4. Sept. 1970 Zentrum Zürich-Affoltern, Zürich 1970)

"Stadtkern und Stadtrand"
Affoltern ist ein Quartier am nördlichen Zürcher Stadtrand und ist von der Kernstadt topographisch getrennt. Die städtische Struktur des Quartiers kennzeichnet eine auffällig breite ästhetische Varianz. Die ästhetische Heterogenität ist auf die historische Siedlungsentwicklung im Quartier zurückzuführen. Affoltern erfuhr seit Beginn des 20. Jahrhunderts einen rasanten Bevölkerungszuwachs, was den Umbau bzw. die grossflächigen Erweiterungen der Siedlungsgrundrisse zur Folge hatte. Der jetzige Siedlungsbestand ist das Resultat einer Genese und hat eine historische Dimension. Die Akzeptanz einer Historizität des Ortes, unabhängig ihrer ästhetischen Qualität, ist die fundamentale Voraussetzung für das Projekt.
Über lange Zeit haben Stadtmauern eine räumliche Zäsur zwischen Landschaft und Stadtraum verursacht. Spätestens seit der Industrialisierung und der Schleifung jener Stadtmauern und der Überbauung des Glacis organisiert sich das Verhältnis von Stadtkern und Stadtrand jedoch neu.
Zwischen Stadtmitte und Stadtrand gibt es heute wesentliche Differenzen in Ausdruck und Präsenz der Geschichte des Ortes. Der pittoreske Altstadtkern von Zürich ist das Resultat einer historischen Schichtung innerhalb eines umfassten Raumes. Die Zürcher Altstadt ist ein kristallines Inneres, Zürich Affoltern ein brüchiges Äusseres. Die städtische Struktur der Innenstadt wurde jahrhundertelang überformt aber auch konserviert und eine ihr dauerhaft anhaftende Idylle produziert. Dies erfolgte mehr im Übereinander als im Nebeneinander. Über Epochen hinweg verbinden sich die architektonischen und städtebaulichen Eingriffe zu einem räumlichen und architektonischen Palimpsest.
Die Stadtränder, wie sind naturgemäß wesentlich jünger als die historische Altstadt und besitzen nur bedingt eine historische Schichtung. Das Quartier ist keine homogene Stadttextur, sondern das Aufeinandertreffen verschiedener städtebaulicher Ideologien unterschiedlicher Datierungen. Unter den Randquartieren ist Affoltern keine Ausnahme. Das Quartier ist, wie die meisten Randquartiere, ein loses Gefüge - ein Nebeneinander - verschiedener Architekturen und Ästhetiken.

"Experiment und Ideologie am Stadtrand"
Der offene und erweiterbare Stadtrandbereich war auch immer der Ort des urbanen Experiments. Die Experimente des letzten Jahrhunderts verursachten ein zergliedertes Nebeneinander mit einer grossen ästhetischen, funktionalen und typologischen Bandbreite. Die kristalline und mit Bedeutung aufgeladene Kernstadt eignete sich nur bedingt als Testfeld jener ideologisch durchdrungener urbaner Experimente. Zusammen mit dem bäuerlich und gewerblich geprägten Siedlungsbestand aus vorindustrieller Zeit ergibt dies gegenwärtig folgende Aggregation mit sechs ideologisch urbanen Zeitschichten:

A Gehöfte in der ruralen Siedlung
B Industriebauten im Fabrikvorort
C Wohnzeilen in der durchgrünten und aufgelockerten Stadt
D Wohntürme im Zuge der Zürcher Hochhauseuphorie
E Einkaufszentren in der autogerechten Stadt
F Arealentwicklungen der de-industrialisierten Stadt

Jede dieser Zeitschichten hat ihre eigene Ästhetik, Materialität und Tektonik und den Anspruch Zentrum zu sein. Eine Redefinition des Zentrum-Perimeters, der jede dieser sechs Zeitschichten von Affoltern einschliesst, bricht die Hermetik dieser autonom gedachten Experimente gegenüber dem Quartier und überführt sie in eine neue Realität. Dies erfolgt über die Montage von architektonischen Elementen und Typologien mit zeichenhaftem Ausdruck. Die von den Verbindungsbauten durchdrungenen und eingeschlossenen Bauten sind also nicht mehr nur die Referenten ihrer selbst. Deren Charakteristikum, jeweils ein eigenes urbanes Zentrum zu sein, was eine Schwächung der Zentralität für das gesamte Quartier impliziert, wird unterwandert. Dieser historisch-subversive Eingriff erlaubt das Zusammenbinden der Zentrumsfragmente von Zürich-Affoltern.

“Hilbersheimer Heimatstil”
Die Indexikalität der montierten Umfassung ist der Versuch die breite ästhetische Varianz der Zentrumsfragmente miteinander ins Gespräch zu bringen – ein Gespräch zwischen “Serie” und “Idylle”, “Singularität” und “Wiederholung”.

idyllisch vs. seriell

Organische Form vs. Raster
Steildach vs. Flachdach
Backstein vs. Waschbeton
Fensterladen vs. Rollladen
Gemüsegarten vs. Shoppingcenter
Holz vs. Sichtbeton
Blumenbeet vs. Asphalt

Die idyllischen Elemente werden mit einer seriellen Logik in den Bestand montiert. Die Umfassung des Perimeters ist somit gleichzeitig ein physisches Zeichen für das Zentrum.

"Dialektik des Draussen und des Drinnen"
Eine Dialektik des Drinnen und Draussen beginnt und erfüllt die Forderung von Zentralität: „im“ oder „ausserhalb“ des Zentrum, im Kern oder am Rand, in der Mitte oder in der Peripherie zu sein. Vielmehr als die Mauer sich der Typologie des Inneren oder des Äusseren zuordnen lässt, muss sie jene dritte Typologie sein, die auch transitorische Momente anbietet, wie Treppen, Rampen und anderen Elemente der Architektur.
Das Innere wird zu einem eigenen Ort. Er verweigert sich, Zentrum nur über die Produktion von Baudichte zu erreichen, vielmehr aber über ein Pastiche von architektonischen Elementen.


Heute wird ein Zentrum gebaut - nicht als Punkt, sondern als städtischer Innenraum!

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