Wohnen im Stall

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1677 Prez-vers-Siviriez,
Schweiz

Veröffentlicht am 07. April 2025
Bard Yersin Architectes Sàrl
Teilnahme am Swiss Arc Award 2025

Projektdaten

Basisdaten

Lage des Objektes
Chemin Clos-du-Moulin 11, 1677 Prez-vers-Siviriez, Schweiz
Projektkategorie
Gebäudeart
Fertigstellung
03.2024
Links

Gebäudedaten nach SIA 416

Stockwerke
2
Anzahl Kellergeschosse
1
Grundstücksfläche
4000 m²
Geschossfläche
228 m²
Nutzfläche
77 m²
Gebäudevolumen
260 m³
Gebäudekosten (BKP 2)
350'000 CHF

Beschreibung

Das Projekt umfasst den Einbau einer Wohnung im teilweise ungenutzten ländlichen Teil eines Bauernhauses aus den 1930er-Jahren. Die Freiburger Bauernhäuser dieser Zeit ähneln einander sehr und folgen alle demselben archetypischen, nach dem Wind ausgerichteten Grundriss. Ein grosses einheitliches Dach überspannt sowohl den Wohn- als auch den Wirtschaftsteil. Der Wohnbereich besteht in der Regel aus zwei bis drei Zellen, die durch einen Quergang erschlossen  sind und befindet sich an der Giebelseite. Der Wirtschaftsteil besteht aus drei strukturellen Achsen und nimmt den anderen Giebel ein. Die mittlere Achse, die sogenannte Fourragère, ermöglicht eine Querung, um das Vieh in den seitlich gelegenen Ställen zu füttern. Dieser Raum ist zudem höher, um den Zugang zu den über den Ställen liegenden Böden zu ermöglichen, auf denen das Heu gelagert wurde. In der Region Glâne begann gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Ziegelbauweise das bis dahin dominante Bauen in Holz – seltener in Stein – zu ergänzen oder zu ersetzen. Besonders bei den Stallmauern, die durch Feuchtigkeit und Reinigungsbedarf stark beansprucht wurden, setzte sich Backstein zunehmend durch. Das von Bard Yersin Architectes umgebaute Bauernhaus mit Stallungen aus Backsteinmauerwerk steht exemplarisch für diese Entwicklung.

Der Eingriff folgt einer Logik und zielt darauf ab, die bestehenden räumlichen Qualitäten aufzuwerten. Die Wohnung entwickelt sich im Erdgeschoss über zwei strukturelle Achsen: Der Wohnbereich nimmt die ehemalige Fourragère ein, profitiert dabei von ihrer durchgehenden Raumwirkung und grosszügigen Raumhöhe. Grosse Verglasungen, die zurückversetzt hinter den in Tore umgewandelten alten Scheunentüren liegen, sorgen für viel Tageslicht, ohne die bestehende Fassade zu verändern. Die Schlafzimmer und das Bad, über einen zentralen Flur erschlossen, befinden sich im ersten Stall, während der zweite weiterhin der Unterbringung der Pferde der Eigentümerin dient. Der Dachraum wird nach wie vor zur Lagerung von Heu genutzt.

Wie das ursprüngliche Mauerwerk bestehen auch die neuen Wände aus sichtbaren Backsteinen, unterscheiden sich jedoch in Format und Textur deutlich von den Ziegeln des frühen 20. Jahrhunderts. Inspiriert von Hans Döllgasts Arbeit an der Alten Pinakothek in München, ermöglicht dieser Ansatz, das Gebäude in seinem «vollständigen Zustand» zu erhalten – im Sinne Viollet-le-Ducs –, ohne den historischen Bruch zwischen dem Originalbau und der Intervention zu verschleiern. Auch die Auswahl der übrigen Materialien folgt dieser Logik der atmosphärischen Kontinuität: der rohe, geglättete Zementestrich, der an die Betonböden regionaler Stallungen erinnert, und die Küche aus Schalungsplatten, inspiriert von improvisierten Einbauten, wie sie Landwirte häufig selbst in ihren Schuppen anbringen.

Das Projekt von Bard Yersin Architectes wurde für den Swiss Arc Award 2025 eingereicht und von Elisa Schreiner publiziert.

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