Bettenhaus Kantonsspital Frauenfeld

10 von 20

 
8501 Frauenfeld,
Schweiz

Veröffentlicht am 15. Februar 2021
Schneider & Schneider Architekten AG
Teilnahme am Swiss Arc Award 2022

Die gestalteten, in ihrer Tiefe strukturierten Fassaden erinnern an Spitäler aus der Mitte des 20. Jahrhunderts und machen das Kantonsspital Frauenfeld zu einem ganz speziellen Gebäude in der Schweizer Spitallandschaft. Die zurückspringende Fassade und die schräg verlaufenden Träger verleihen  dem Volumen eine schwebende Optik. Im Sockel des Bettengebäudes  befinden sich  auch grosse, frei konfigurierbare Operationsbereiche. In den zentralen Kernen befinden sich die Räume  des Pflegepersonals,  die durch eine Glaswand  vom Korridor getrennt  sind. Dies sorgt für mehr Transparenz. Durch die niedrigen Fensterbrüstungen hat man einen weitläufigen Blick auf die umgebende Landschaft; auch sie tragen dazu bei, den in Holz und warmen Farben gehaltenen Räumen einen häuslichen Charakter zu verleihen.

Projektdaten

Basisdaten

Lage des Objektes
Pfaffenholzstrasse, 8501 Frauenfeld, Schweiz
Projektkategorie
Gebäudeart
Fertigstellung
01.2022
Links

Gebäudedaten nach SIA 416

Stockwerke
6 bis 10
Anzahl Kellergeschosse
1
Geschossfläche
38'356 m²
Gebäudevolumen
165'980 m³

Beschreibung

Gute Aussichten

Das kürzlich von Schneider & Schneider Architekten realisierte Gebäude für das Kantonsspital Frauenfeld im Jahr 2020 wirkt sehr ausgereift und stellt für die Klinik den Aufbruch in eine neue Ära dar. Ein Überblick über die einzelnen Etappen des Umbaus.

Das 1974 erbaute Kantonsspital befindet sich in einem Wohnquartier auf einer Anhöhe im Süden des Ballungsraumes Frauenfeld. Das Ensemble zeichnet sich durch die rational-spartanische Formensprache der damaligen Spital-Architektur aus, durch den typischen Breitfuss und den darauf stehenden Bettenturm. Der neue Ausdruck, den das Kantonsspital nun präsentiert, hebt sich davon ab. Wie viele der neuen im Spitalbau-Boom entstanden Bauten ist sein neues Erscheinungsbild von den hellen und grosszügigen Räumen der Spitäler zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts beziehungsweise von der Behaglichkeit und auf menschliche Bedürfnisse ausgerichteten 1950er-Jahre-Bauten inspiriert.
Es gibt zwei Gründe für dieses Baufieber. Einerseits nehmen die Gesundheitsausgaben fortlaufend zu: Laut dem Bundesamt für Statistik sind sie von 340 Franken pro Monat und Einwohner im Jahr 1990 auf 785 Franken im Jahr 2018 gestiegen. Andererseits hat sich gezeigt, dass die Krankenhausinfrastrukturen nach einer Betriebszeit von dreissig oder vierzig Jahren dem Wandel der medizinischen Techniken und den Erwartungen der Gesellschaft an das Gesundheitssystem angepasst werden müssen. Das Spital von heute ist ein «Gesundheitszentrum» und der Patient ist ein Kunde, der zufriedengestellt werden muss – und dies alles vor dem Hintergrund der Betriebskosten-Optimierung.

Abtausch
Die gesamte Transformation des Kantonsspitals Frauenfeld verläuft über einen Zeitraum von 20 Jahren und entsprechen dem Masterplan von Schneider & Schneider Architekten, die 2002 den Architekturwettbewerb für dieses Projekt gewannen. Der Baukredit von 280 Millionen Franken macht das Spital zur grössten Baustelle im Thurgau. Die Umsetzung obliegt einem Generalunternehmer. Die Herausforderungen sind vielschichtig, von der Koordination der Arbeiten unter Aufrechterhaltung des gesamten Betriebes, bis hin zu den vom Bauherrn angestrebten Vorgaben in Bezug auf Nachhaltigkeit, Flexibilität und Integration in das örtliche Stadtbild.
Die vom Planungsbüro entworfene Strategie sieht eine Reihe von Umbauten vor, welche neue Funktionen, Synergien und eine erhöhte Flexibilität für zukünftige Entwicklungen einbeziehen. Man könnte es mit einer Dreifelderwirtschaft vergleichen, die im Rahmen des Krankenhausmanagements Anwendung findet. Seit 2003 wurden einige Etappen realisiert, darunter beispielsweise die Inbetriebnahme des Notfalltraktes und der Intensivstation (2008) sowie die Erstellung eines unterirdischen Parkhauses unter Einbeziehung der örtlichen Topografie (2014). Das Projekt soll bis Ende 2022 mit der Eröffnung eines grossen Konferenzraums abgeschlossen werden.


Ein liegender Turm
Obwohl der Wettbewerb zunächst nur den Umbau des ursprünglichen Bettenturms vorsah, wurde dieser schliesslich durch einen Neubau ersetzt, der im Januar 2020 in Betrieb genommen wurde. Die für diese Entscheidung auslösenden Kriterien waren die geringe Nutzfläche der Geschosse sowie die Umbaukosten. Nachdem es im Zuge der Covid-19-Pandemie sein letztes Comeback als Ausweichquartier feierte, wurde es nun abgerissen und überlässt nun dem künftigen Ersatzbau den Status eines Wahrzeichens im Stadtbild der Thurgauer Hauptstadt.
Als Reminiszenz an das ehemalige Gebäude ist das neue Bettenhaus eine liegende Version des Turms, wenn auch etwas breiter und länger. Er kragt über das Technikgeschoss aus, das auf dem bestehenden dreigeschossigen Sockelbau aufliegt. Im Gegensatz zu dem ursprünglichen Bettenturm scheint das neue, elegante Gebäude auf seinem Sockel zu ruhen und geradezu zu schweben. Aluminium und Glas machen den beeindruckenden Riegel zu einem offenen und leichten Volumen. Neben der ästhetischen Wirkung erfüllt die architektonische Komposition der Fassade auch funktionale Anforderungen, indem sie thermische und brandschutztechnische Funktionen übernimmt.V on der unteren bis zur oberen Ebene bietet das Raumprogramm insgesamt acht Operationssäle und 164 Patientenzimmer mit jeweils eigenem Badezimmer.

Effizienz und Komfort
Im Breitfuss befinden sich mehrere Operationsbereiche, die auf horizontaler Ebene dem Ablauf des Pflegeprozesses entsprechen. Der offene und übersichtliche Grundriss macht es Patienten, Besuchern und Mitarbeitern leicht, sich zurechtzufinden, ebenso wie die grosszügige zentrale Eingangshalle. Die bisher dezentral organisierten Dienste werden nun in interdisziplinären Ambulanzen und Behandlungsbereichen zusammengefasst, um die Räume optimal zu nutzen. Durch die Zusammenlegung der verschiedenen Klinikleistungen – Sprechstundenzimmer, Vorsorge- und Nachsorgezimmer – sind die Wege für die Patienten kürzer.
Der darüber liegende Bettenbereich umfasst Doppelzimmer und circa 30 Einzelzimmer. Die Patientenzimmer zeichnen sich durch warme Töne und hochwertige Materialien aus. Die technischen Komponenten zur Regulierung des Klimakomforts befinden sich unterhalb der Decke. Versorgt wird das System über eine Wärmepumpe und Erdsonden.
Die Art der Energieversorgung ist ein wichtiger Planungsparameter in einem Spital. Die hier gewählte Kombination aus Geothermie und Geokühlung wird zu Spitzenzeiten des Wärmeverbrauchs durch ein gasbefeuertes Blockheizkraftwerk ergänzt. Im Falle eines höheren Kühlbedarfs wird gekühlte Luft vom Dach zugeführt. Diese Energiestrategie verbindet Hybridität, Flexibilität und Funktionalität miteinander. Damit haben die Planer des neuen Kantonsspitals in Frauenfeld vor fast 20 Jahren eine Entwicklung angestossen, die wohl auch bei der nächsten Umgestaltung der Infrastruktur Gültigkeit haben wird.

Thomas Blöchliger, Architekt bei Schneider & Schneider Architekt, zu den Fassadenelementen aus anodisierten Aluminium:
Perforierte Fassadenplatten aus Aluminium dienen nicht nur als Absturzsicherung, sondern fungieren zugleich als natürliches Belüftungssystem für die Räume. Sie bilden zudem ein gestalterisches Element der Rasterfassade.

Thomas Blöchliger, Architekt bei Schneider & Schneider Architekt, zu den Kunststeinplatten im Eingangsbereich:
Die Platten wurden ausgewählt, um eine Durchgängigkeit der Materialien zwischen den bestehenden und den neuen Bauteilen zu schaffen. Die Platten wurden erst nach dem Verlegen geschliffen und verleihen dem Boden so ein homogenes Aussehen.

Text: François Esquivié

Erstmals veröffentlicht im Magazin der Schweizer Baudokumentation 2021 - 2

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