Pavillon Manal

1 von 10

 
6048 Horw,
Schweiz

Veröffentlicht am 16. Juni 2025
Hochschule Luzern Technik und Architektur
Teilnahme am Swiss Arc Award 2025

Wände aus Gusslehm

Projektdaten

Basisdaten

Lage des Objektes
Technikumstrasse 21, 6048 Horw, Schweiz
Projekttyp
Entwurfsstudio/Forschungsgruppe
Projektkategorie
Fertigstellung
11.2024
Links

Gebäudedaten nach SIA 416

Stockwerke
1
Geschossfläche
50 m²

Beschreibung

Der Pavilion Manal auf dem HSLU-Campus Horw entstand 2024 als gemeinsames Projekt von Stefan Wülser Architektur, HSLU Technik & Architektur und Oxara. Studierende des HSLU-Kurses Basic im Frühlingssemester 2023 unter der Leitung von Matthew Howell waren am Projekt beteiligt. Vor drei Jahren entstand die Vision, einen Pavillon aus den CO₂-armen, zementfreien Binde- und Zusatzmitteln von Oxara zu realisieren – ein Pionierprojekt, das als Leuchtturm für nachhaltiges Bauen konzipiert wurde. Das Projekt stellte zahlreiche Herausforderungen, doch durch die Zusammenarbeit mit führenden Branchenakteuren und Forschungsinstitutionen konnte es schliesslich umgesetzt werden. Die Hochschule Luzern (HSLU) erklärte sich bereit, den Pavillon für zwei Jahre auf ihrem Campus in Horw aufzunehmen, ihn als Fallstudie in das Forschungsprojekt «Think Earth» zu integrieren und durch Messungen an den gegossenen Lehmwänden wertvolle Daten für die Forschung zu gewinnen. Gleichzeitig dient das Bauwerk als praxisnahes Beispiel für interdisziplinäre Lehrprojekte und studentische Entwurfsarbeiten.

Materialität und Tragwerkskonzept
Architektonisch folgt der Pavillon Manal einer klaren Materiallogik. Die Wände und Stützen vereinen die Eigenschaften von Stampflehm und Beton, wobei die Verarbeitung ganz eigene Herausforderungen mit sich bringt. Die Materialien binden nicht ab, sondern trocknen, was ein starkes Schwinden verursacht und bereits im Entwurfsprozess eine präzise Strategie für den Umgang mit Toleranzen erforderlich machte. Die Planung erfolgte in einem transdisziplinären Team, das architektonische, konstruktive und materialtechnische Fragen gemeinsam weiterentwickelte. Die daraus resultierende Struktur nutzt die spezifischen Eigenschaften der verwendeten Baustoffe optimal aus. Der Pavillon basiert auf einer dreiachsigen Tragstruktur, die aus wiederverwendeten Betonplatten eines umgebauten Tunnels zusammengesetzt wurde. Die Fundamente und tragenden Wände bestehen aus Oulesse Beton, während die Fassaden mit Nossim Gusslehm gefüllt wurden. Die Gewölbebögen, die sich entlang der Achsen erstrecken, sind aus Oxabloc Lehmsteinen gemauert und durch Stahlzugstangen ergänzt, die den Bogenschub kurzschliessen. Ein Holzringbalken fasst die gesamte Konstruktion zusammen, während die Dachscheibe durch vertikale Auskreuzungen aus Stahl mit den aussteifenden Wänden verbunden ist. Die Konstruktion zeigt, dass die von Oxara entwickelten Materialien in Kombination mit anderen nachhaltigen Baustoffen eine hohe Leistungsfähigkeit erreichen können und der Einsatz von CO₂-intensiven Baustoffen fast vollständig vermieden werden kann.

Nachhaltige Materialien für eine neue Bauweise
Die Materialpalette des Pavillons Manal reflektiert das zentrale Anliegen des Projekts: den experimentellen Umgang mit ressourcenschonenden Baustoffen. Oulesse Beton, hergestellt aus rezykliertem Mischabbruch und Mineralsalzen, erreicht eine Festigkeit von 25 MPa nach 28 Tagen und spart im Vergleich zu herkömmlichem Hochbaubeton bis zu 70 Prozent CO₂. Das Bindemittel Oxacrete Oulesse ist das Ergebnis jahrelanger Forschung und wurde in diesem Projekt erstmals industriell produziert. Der Gusslehm Nossim besteht aus einem Drittel Lehm und zwei Dritteln konventioneller Gesteinskörnung, ergänzt durch Oxacrete Nossim, das den Lehm zunächst verflüssigt und anschliessend verfestigt. Die beim Bau verwendete Lehmquelle war ein Filterkuchen – ein tonhaltiger Abfall aus dem Kieswerk der KIBAG. Die Oxabloc Lehmsteine, hergestellt durch Terrabloc, bestehen aus Aushubmaterial, das mit Oxabrick Loko stabilisiert wurde, um eine Druckfestigkeit von 10 MPa und Wasserstabilität zu gewährleisten. Zum ersten Mal wurden sie in diesem Projekt zu einem Gewölbe verbaut.

Ein Modell für ressourcenschonendes Bauen
Der Bauprozess selbst war eng mit der Weiterentwicklung der Materialien verbunden. Die Produktion und Verarbeitung der neuartigen Baustoffe stellte hohe Anforderungen an die industrielle Fertigung, insbesondere an die Anpassung der Mischprozesse in den Betonwerken. Die Erfahrungen, die dabei gesammelt wurden, sind ein entscheidender Schritt für die Skalierung und Normierung dieser Materialien, die langfristig eine umweltfreundliche Alternative zu konventionellen Baustoffen bieten sollen. Neben der materialtechnischen Innovation setzt der Pavillon auch architektonisch Massstäbe. Sein polyrhythmisches Raster erzeugt eine räumliche Vielfalt innerhalb der kompakten 50 m² Grundfläche. Die unterschiedlichen Spannweiten der Gewölbebögen lassen eine vielschichtige Raumstruktur entstehen, die das Wechselspiel von Tragwerk und Material besonders hervorhebt. Die klare Gliederung der Tragstruktur macht die Lastabtragung sichtbar, während die nachhaltigen Baustoffe eine eigene ästhetische Qualität entfalten. Von Beginn an wurde das Gebäude als temporäre Struktur geplant. Viele Bauteile – darunter Tunnelplatten, Fenster, Dachwellbleche und Lampen – wurden wiederverwendet oder für eine zukünftige Wiederverwendung vorgesehen. Das Konzept folgt dem Prinzip «Design-to-Dismantle» und setzt damit einen wichtigen Impuls für eine ressourcenschonende Bauweise, die den gesamten Lebenszyklus der Materialien berücksichtigt. Trotz seines kleinen Massstabs stellt der Pavillon Manal grundlegende Fragen der heutigen Baukultur und ist ein Beispiel dafür, wie nachhaltiges Bauen mit architektonischer Innovation vereint werden kann.

Das Projekt von Stefan Wülser Architektur, der Hochschule Luzern Technik und Architektur und Oxara wurde im Rahmen des Swiss Arc Award 2025 in der Kategorie Next Generation eingereicht und von Nina Farhumand publiziert.

192185719