oben - Die mehrgeschossige Aufstockung als Abschluss des Hauses am Beispiel eines Wohngebäudes in Zürich Oerlikon
,
Schweiz
Veröffentlicht am 22. August 2016
Teilnahme am Swiss Arc Award 2016
Projektdaten
Basisdaten
Gebäudedaten nach SIA 416
Beschreibung
Hintergrund
Die Verdichtung
In den letzten Jahren zeigte sich, dass zunehmend dicht gebaut werden muss um der voranschreitenden Zersiedelung entgegen zu wirken. Die Verdichtung nach innen erfährt politisch wie auch gesellschaftlich eine breite Unterstützung. Die Nachverdichtung ist ein bekanntes Werkzeug dafür.
Eingriff in den Stadtraum
Ersatzneubauten, ergänzenden Anbauten oder Aufstockungen bedeuten eine bauliche Veränderung, die den Stadtraum auf verschiedenen Ebenen beeinflusst. Nebst dem physischen Raum wird durch das Mehr sowie durch die Art der Nutzung auch immer in das funktionale und soziale Gefüge des Quartiers eingegriffen.
Höhere Dichte der effektiven Nutzung als Ziel
Diese Verdichtung macht allerdings nur Sinn, wenn nebst einer erhöhten baulichen Dichte auch die effektive Dichte steigt, also nach dem Eingriff mehr Personen pro Fläche wohnen. Der Druck auf innerstädtische Quartiere ist gross und die Preise insbesondere des erschwinglichen Wohnraumes steigen vielerorts deutlich an. Dies führt mitunter zu Entmischung und schwächt in der Folge auch den Charakter der betroffenen Quartiere.
Verdichten an zentralen Lagen ist besonders sinnvoll
Nicht zuletzt unter ökologischer Betrachtung ist die Verdichtung an gut erschlossenen Standorten sinnvoll, denn für die Beurteilung der Nachhaltigkeit wird heute nicht mehr nur die Betriebsenergie betrachtet, sondern es wird auch die graue Energie sowie die für Mobilität aufgewendete Energie mit einbezogen. Gerade wenn man an graue Energie denkt, macht auch der Gedanke Sinn, die bestehende Struktur möglichst als eine Art Guthaben zu betrachten, auf welches aufgebaut werden kann, anstelle eines Abbruchs und darauf folgenden Ersatzneubaus.
Der Bestand
Posthof Oerlikon
Das Gebäude ist ein 5-geschossiger Bau aus dem Jahre 1928. Im Erdgeschoss befinden sich vier voneinander unabhängige gewerblich genutzte Einheiten. Oberhalb davon verfügt das Haus über drei Treppenhäuser erschlossene, eher kleine aber gut funktionierende und bezahlbare Wohnungen. Das Dachgeschoss wird lediglich für Estrichabteile und die Waschküchen genutzt.
Die statische Ertüchtigung des Bestandes
Um eine zweigeschossige Aufstockung aufnehmen zu können, müssen die tragenden Wände an sich nicht verstärkt werden. Im Sockel gibt es Eingriffe zur statischen Ertüchtigung, die dort bereits vorhandenen Unterzüge werden verstärkt. Zudem müssen die Fundamente verstärkt werden, was über ein Düsenstrahlverfahren angedacht ist. Um eine Erdbebensicherheit zu erreichen werden die auch funktional notwendigen, neuen Liftkerne verwendet.
Bauphysikalische Verbesserung des Bestandes
Bauphysikalisch wird der Bestand insofern verändert, dass alle Fenster ausgetauscht werden. Zudem gibt es vor der Fassade eine zusätzliche Schicht von Holzfaserdämmplatten, die zudem einen fugenlosen Übergang des Verputzes zur Aufstockung ermöglichen.
Konstruktive Grundlage für die Aufstockung
Um für die Aufstockung eine ebene Grundlage zu erhalten, werden die Kniestöcke abgebrochen und es wird ein Betonkranz als Grundlage für den Holzbau erstellt.
Baurechtliche Grundlagen
Das Gebäude befindet sich in der Zentrumszone Z7. Somit sind 7 Voll- und ein Attika-/Dachgeschoss erlaubt. Zudem befindet es sich im Hochhausgebiet II, was eine erlaubte Höhe von 80m bedeutet. Die Ausnützung der Nachbarbauten überschreitet die üblicherweise in dieser Zone erlaubte Ausnützung. Das Swissôtel hat eine Ausnützung von ungefähr 430%, das Geschäftsgebäude mit Kreisbüro und Coop Supermarkt 410%. Dies ist vermutlich durch die relativ breiten Strassen- und Freiräumen um die Parzellen möglich. Somit ist eine erhöhte Ausnutzung stadträumlich auch bei dem hier betrachteten Gebäude denkbar und eine entsprechende Aufstockung möglich. Als Richtwert wird die zonenkonform erlaubte Anzahl Geschosse genommen, die Ausnützung bleibt deutlich unter den Werten von den analysierten Nachbarbauten, um der Nachbarschaft auf der gegenüberliegenden Seite der Zone Q5 gerecht zu werden.
Entwurf
Ein neues Ganzes
Der Ausdruck des Gebäudes soll ein neues Ganzes darstellen. Die Aufstockung und der Bestand werden zu einer Einheit verschmolzen, die durch ein Element des Dachrandes den Abschluss nach oben erfährt.
Das Verbinden
Die Aufstockung wurde über verschiedene Mittel mit dem Bestand verwoben. Um diese Verwebung zu erreichen, wurden die Fenster der Aufstockung trotz einer sich von der Raumstruktur des Bestandes unterscheidende Einteilung so angeordnet, dass in der Vertikalen durchgehende Linien entstehen. Auch über den Sonnenschutz, der strassenseitig aus Fensterläden besteht und über die Ausgestaltung der vertikal strukturierten Putzfelder in der Fassade wurden Neu und Alt verschnitten.
Subtiles Trennen
Trotzdem ist die Aufstockung im Verhältnis eins zu vier zu zwei (Sockel-Mittelteil-Aufstockung) wahrnehmbar, die Öffnungsproportionen unterscheiden sich, die Fenster sind weiter aussen angeschlagen und es gibt an gewissen Stellen Störungen in der Strukturierung, die Öffnungen sind nicht überall durchgehend übereinander.
Abwägung der Mittel
Um den richtigen Grad zwischen Verbindung und Trennung zu erreichen, wurden die eingesetzten Massnahmen in ihrer Stärke unterschiedlich gewichtet. Trennende Massnahmen sind sparsamer eingesetzt und haben somit eine schwächere Auswirkung auf den Ausdruck des Gebäudes, der unter stärkerer Beeinfussung der verbindenden Massnahmen zu einer neuen Einheit geformt wird.
Weiterbauen im Regelgeschoss
Die Erdgeschossnutzung mit ihren vier voneinander unabhängigen Gewerbeeinheiten wird weitgehend erhalten. Anpassungen gibt es aufgrund der Einbauten der Liftkerne sowie punktuelle Eingriffe zur Ertüchtigung der Statik.
Räumlicher Mehrwert für bestehende Wohnungen
Die eher kleinen Wohnungen im Bereich der Obergeschosse des Bestandes funktionieren an sich gut. Was für die heutigen Bedürfnisse nicht ideal scheint, ist die Grösse der Küchen. Hofseitig gibt es zusammen mit der Aufstockung neue Räume, die für eine räumliche Erweiterung für die Wohnungen genutzt werden. Diese Räume sind als Wohnessräume gedacht, die jeweils direkten Zugang zu einer Loggia haben und den Wohnungen so ein nach Westen orientierter Aussenraum bieten.
Wohnen in der Aufstockung
Die in Elementen der Holzrahmenkonstruktion geplante Aufstockung verfügt auf dem 6. Obergeschoss stirnseitig über zwei kleine Wohnungen mit konventioneller Wohnnutzung und mittig über zwei Grosswohnungen, die als Clusterwohnungen funktionieren. Gemeinschaftlich nutzbare Wohnbereiche und private Rückzugseinheiten ermöglichen im Zusammenspiel grosszügige Wohnbereiche und über die gesamte Wohnung gerechnet gleichzeitig eine sinnvolle Flächennutzung, die einer effektiven Verdichtung zuträglich ist. Gleichzeitig gibt es durch die gemeinschaftlich genutzten Bereiche auf sozialer Ebene eine Möglichkeit zur Bereicherung für die Bewohnerschaft.
Für die Erschliessung der Geschosse der Aufstockung das mittlere Treppenhaus aufgehoben. In der Folge erhält man oben die Möglichkeit für grössere Einheiten.
Gemeinschaftliche Aspekte der Aufstockung
Pro Geschoss werden oben neben zwei wie im Bestand kleine Einheiten zwei Clusterwohnungen erstellt, die Wohnungsintern auf das Zusammenspiel der gemeinschaftlich genutzten Flächen und der Individualräume zum Rückzug bauen.
Für die gesamte Hausgemeinschaft nutzbare Bereiche werden auf den neu geschaffenen Terrassen geschaffen. Im 5. Obergeschoss gibt es einen Gemeinschaftsraum mit Küche und Zugang zur Terrasse. Auf dem 7. Obergeschoss befinden sich nebst den Estrichabteilen Infrastrukturen, die der Hausgemeinschaft zugute kommen. Eine Sauna, eine Aussenküche, Wasseranschlüsse und Aussenduschen werden gestellt. Der Raum und die Nischen können dann von der Mieterschaft bespielt werden, es gibt Raum für Urban Gardening, Pingpongtische, Wäschetrocknen, Schachspiele oder Sitznischen.
Next Generation Projekt eingereicht von: Damian Gysi